Auch Maschinen haben Humor – Duisburger Retrospektive zum Werk des Deutsch-Amerikaners Stephan von Huene

Von Bernd Berke

Duisburg. Haben Maschinen eine Seele? Haben sie gar Humor? Man möchte darauf schwören, wenn man durch die neue Ausstellung im Duisburger Lehmbruck-Museum streift. Im Geleitzug mit München und Hamburg richtet Duisburg eine längst fällige Retrospektive über den anno 2000 verstorbenen Stephan von Huene aus. Vor allem die Klangskulpturen des documenta- und Biennale-erprobten Amerikaners mit deutschbaltischen Vorfahren haben hintergründigen Charme.

1976 übersiedelte von Huene (Jahrgang 1932) aus Los Angeles nach Deutschland. Hier heiratete er 1979 die Kunstkritikerin Petra Kipphoff („Die Zeit“), mit der er in Hamburg lebte.

Schon seit Beginn der 60er Jahre schuf er jene skulpturförmigen Instrumentarien, die jedem Betrachter bzw. Zuhörer unweigerlich ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Im Frühwerk setzt sich die Mechanik ächzend per Blasebalg, Lochstreifen oder Walze in Gang. Später steuern Computer die Klang-Körper oder Klang-Möbel. Dieser Künstlerhat sich theoretisch und technisch stets auf dem Laufenden gehalten. Er war kein bloßer Phantast, sondern ein fleißiger Ergründer mit „Do it yourself‘-Fertigkeiten.

Auf Knopfdruck legt die Waschbrett-Combo los

Wenn der Strom fließt und der Schalter gedrückt ist, tritt in Duisburg beispielsweise eine ganze Waschbrett-Combo samt Glöckchen, Schlagwerk und Harmonika zum Musizieren an. Die groteske Apparatur steht auf einem hölzernen Skulpturensockel, in dessen Eingeweiden es hübsch rumort. Kaum denkt man an Zirkus, Kirmes oder Vaudeville, da legt schon eine andere Skulptur mit kopfstehender Hundefigur rasselnd los. Oder es steppen zwei einsame Beine („Tap Dancer“, 1967).

Geisterhaft spielende Xylophone, Trommeln und Orgelpfeifen sorgen für weiteres Getöse. Und eine schemenhafte „Loreley“, geformt nach geradezu „wissenschaftlich“ ermitteltem Schönheits-Ideal, kämmt ihr Goldhaar zu sirenenhaftem Sang. Dies alles tost keineswegs wild durcheinander, sondern wird jeweils zeitversetzt hörbar, damit nicht eine Arbeit die andere durchkreuzt.

Tradition ist nicht so fern: Der fröhlich-anarchische Dadaismus hat Pate gestanden. Kurt Schwitters‘ „Ursonate‘ hat von Huene in einer fremdartig klingenden Installation selbst aufgegriffen. Auch der Avantgarde-Komponist John Cage zählt zu den Anregern. Und selbst die (Alp)-Träume von Automaten-Menschen aus der romantischen Epoche dürften hier noch nachwirken.

Ein sanftmütiger Mensch, der die Wahrnehmung weckt

Stephan von Huene soll ein äußerst sanftmütiger Mensch gewesen sein, doch durch seine Kunst wollte er die Menschen aufwecken, damit sie ihre Wahrnehmung schärfen. Der Ausstellungstitel („Tune the world“) spielt auf ein Bekenntnis des Künstlers an, dem just die Feinabstimmung des Sensoriums für die Welt am Herzen lag.

Die sorgsam ausgeführten Werke standen erst am Ende langwieriger Denkprozesse, in die etliche Erkenntnisse einbezogen wurden. Projektskizzen zeugen vom Aufwand. Die Pop-Kultur gibt gewisse Grundmuster vor, Psychologie, Systemtheorie, Ingenieurskunst und manches mehr gesellen sich hinzu.

Von Huene hat gründlich analysiert, zergliedert und hernach die Teile zusammensetzt, bis eine Synthese gelang und die Objekte „wie aus einem Guss“ wirkten. Alle Elemente sind gleich wichtig und vereinigen sich zum schwellenden Akkord der Sinne: Das oft körperhaft wirkende Material (Leder-Haut, Holz als Knochen) ist zu beachten, die Bewegungsenergie (Kinetik) darf ebenso wenig vergessen werden wie der Klangeindruck.

Prinzipiell ins uferlose wuchernde Serien von Zeichnungen kommen hinzu. Figurationen von Goya bis Picasso oder aus Mythen und Märchen aufnehmend, schwelgen sie in geni(t)alen Obsessionen und rätselhaften Sprach-Fetzen. Auch hier findet sich vielfach der Gestus des Zergliederns. Die Körper zerfallen in quasi selbstständige Teile. Ganz so, als hätte ein neugieriges Kind ein Spielzeug bis ins Innerste untersuchen wollen.

Bis 30. März. Di-Sa 11-17. So 10-18 Uhr. Katalog 28 Euro

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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