Die Wellen der Harmonie – Werkschau des Sylter Malers Siegward Sprotte im Cappenberger Schloss

Von Bernd Berke

Selm/Cappenberg. In einigen Räumen wogt es gewaltig. Wellen-Bilder der ruhigen oder der stürmischen Art wecken maritime Gefühle. Mitunter scheint gar die Gischt von der Leinwand spritzen zu wollen. Eigentlich kein Wunder: Der Künstler lebt seit 1945 auf Sylt.

Wandelbares Wasser: Mal erstarrt die See zum Eismeer, mal türmen sich nächtlichschwarze Wogen auf. Zuweilen genügt schon eine einzige hingetuschte Pinselgeste, um gleichsam das Bewegungsgesetz des Meeres zu evozieren. Auch Begleiterscheinungen geraten in den Blick: Algen, Quallen, Sand. Fehlt nur noch die Brise.

Dennoch ist das Meer zwar die allzeit leitende, aber beileibe nicht die einzige Passion des mittlerweile 90-jährigen Siegward Sprotte. Auf seiner seelischen Landkarte haben auch die Gipfel der Dolomiten, die eher lieblichen Gärten in und um Potsdam oder Landschaftsformationen zwischen Jamaika und Madeira ihren Platz. Sein Feld ist die Welt.

Vom Meeresspiegel bis zu den Gipfeln

Jetzt zeigt der Kreis Unna im Cappenberger Schloss mit rund 200 Exponaten die ganze Fülle und Breite des Lebenswerks. Die Ausstellung, die anhand von Skizzenbuch-Auszügen auch Einblicke in die Werkstatt des Künstlers erlaubt, stammt überwiegend aus dem Fundus der Sprotte-Stiftung, in deren Vorstand der Anwalt Manfred Schryen aus Unna sitzt. Daher das Gastspiel in unseren Breiten.

Die vielversprechenden Anfänge des Werks liegen in den frühen 1930er Jahren. Ein Selbstporträt von 1937 schwebt zwischen Neuer Sachlichkeit und „altdeutsch“- altmeisterlicher Auffassung.

Porträts von Hermann Hesse und Karl Jaspers

Der Gestus wirkt selbstbewusst, doch nobel zurückhaltend, ja fast fromm. Weitaus später, in den 50er Jahren, entstanden eher kürzelhafte Porträts berühmter Zeitgenossen, so etwa des gleichfalls von indischer Weisheit inspirierten Schriftstellers Hermann Hesse oder des Philosophen Karl Jaspers.

Insgesamt ist es ein Oeuvre abseits gängiger Moden, das sich fernhält von allen politischen sehen Verwicklungen und offenbar keine krisenhaften Brüche kennt. Vielleicht liegt es daran, dass die bildnerische Energie gelegentlich zu erschlaffen droht und allzu gefällige Arbeiten entstehen.

Sogar Rosenkohl kann unheilschwanger aussehen

Zutiefst beeinflusst vom Ideengut des indischen Philosophen Krishnamurti (1897-1986), der die Harmonie zwischen All und Ich predigte, strebt wohl auch Sprotte nach kosmischer Erfahrung, in der alles möglichst schmerzlos aufgeht. Nicht immer ist dies der Königsweg der Künste.

Doch die botanisierenden Bestandsaufnahmen gehen über in immer freiere Behandlung. Und das Spektrum reicht bis zu rauen, bedrohlichen Natur-Ansichten. Im Kriegsjahr 1941 wirkt selbst ein Rosenkohl-Bild unheilschwanger.

Siegward Sprotte, der kürzlich zum Ehrenbürger seiner auch zu DDR-Zeiten oft besuchten Geburtsstadt Potsdam ernannt wurde (übrigens ein Jahr nach Günther Jauch), hat seit vielen Jahren einen prominenten Freund: Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe wird denn auch die Cappenberger Schau am Sonntag, 20. Juli (11 Uhr), eröffnen. Bestimmt mag er’s gern so harmonisch.

Siegward Sprotte. Schloss Cappenberg (Selm). 20. Juli bis 19. Oktober. Di-So 10-17 Uhr. Katalog 22 Euro.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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