Freudiger Schluss, verklärte Wonne: Duisburger Philharmoniker und Axel Kober erkunden die Romantik

Ob Anton Bruckners Siebte Symphonie tatsächlich einer „romantischen Vision“ entspringt, wie der Titel des Sechsten Philharmonischen Konzerts der Duisburger Philharmoniker andeutet, sei dahingestellt: Der Begriff der Romantik ist in der Musik unscharf – und Bruckners gewaltiges Gebilde ließe sich aus guten Gründen ebenso als komplexe Weiterentwicklung formaler Prinzipien der „klassischen“ Komponisten lesen.

Axel Kober, Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein und Chefdirigent der Duisburger Philharmoniker. Foto: Max Brunnert

Axel Kober, Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein und Chefdirigent der Duisburger Philharmoniker. Foto: Max Brunnert

Selbst der „sehr feierliche“ und „sehr langsame“ zweite Satz verbirgt hinter seinen Wagner-Anklängen einen Sonatensatz, ist also weit mehr als deskriptive Musik von Trauer und Trost.

Aber genau jener zweite Satz, den Bruckner unter dem Eindruck von Wagners Tod am 13. Februar 1883 vollendete, schlägt die Brücke zu Carl Maria von Webers Romantik: Die besteht ja auch nicht nur aus eingängigen Melodien, behutsam dosierter Chromatik, Laut- und Stimmungsmalerei – das beherrscht François Adrien Boieldieu in seiner „Dame blanche“ auch –, sondern aus satztechnisch anspruchsvoller thematisch-motivischer Arbeit. Und die beweist Weber selbst in einem Konzert wie demjenigen in f-Moll für Klarinette, geschrieben für einen der größten Virtuosen aller Zeiten, Heinrich Joseph Bärmann.

Technische Brillanz und Empfindungstiefe

Mit diesem Konzert stellte sich ein junger Solist vor, der seit 2016 Erster Soloklarinettist der Duisburger Philharmoniker ist: Christoph Schneider. Und er erfüllte Webers Komposition mit einer technischen Brillanz und Empfindungstiefe, die eine musikalische Beschreibung schnell an ihre Grenze führt: Das Höhere, Andere, das E.T:A. Hoffmann mit seinem Bonmot vom Ende der Sprache mit romantischem Pathos ausdrücken wollte: Hier ist es spürbar. Der Begriff des „Romantischen“ in der Musik: Hier ist er unmittelbar zu erfahren.

Christoph Schneider. Foto: Duisburger Philharmoniker

Christoph Schneider. Foto: Duisburger Philharmoniker

Bleiben wir also beim dürr beschreibenden Handwerk des Kritikers und bewundern wir den klaren, schwerelosen, aus dem Nichts keimenden Ton im Beginn des Konzerts, der an eine geheimnisvolle Opernszene erinnert. Oder die Läufe, die nicht nur makellos geformt, sondern dazu noch unterschiedlich charakterisiert werden. Oder den ariosen Atem, der manchem Opernsänger blanken Neid ins Herz pflanzen könnte. Den Adagio-Satz, im Tempo treffend, adelt ein ätherisch weicher Ton, ein delikates Piano, schattierungsreicher Klang und eine scheinbar endlos ausgespannte Phrasierung. Und der letzte Satz, ein „Rausschmeißer“ à la Rossini, ist mit Verve gestaltetes Virtuosen-Futter. In der Zugabe, einem Adagio von Bärmann, zeigt Christoph Schneider noch einmal, was mit „Geschmack“ vielleicht ein wenig altmodisch, aber treffend beschrieben werden kann.

Zu Beginn des Konzerts hätte man sich eine der weniger populären Ouvertüren Webers gewünscht, aber diejenige zum „Freischütz“ steht nicht nur emblematisch für die Romantik, sondern verbindet sich durch den Einsatz der Bläser (Hörner, Klarinette) mit dem Solo-Konzert und Bruckners Siebter, in der die „Wagner-Tuben“ eine prominente Rolle spielen. Die Philharmoniker zeigen keine Schwächen im füllig-seidigen Hörnerklang; Chefdirigent Axel Kober lässt allerdings die tiefen Streicher nicht markant genug hervortreten. Das Ganze schließt, wie von Weber vorgesehen, freudig.

Bruckners Satzkunst klar ausmodelliert

In Bruckners Siebter zeigt sich Kober als formsensibler Dirigent. Er nutzt den Klang nicht als Ausrede für mangelnde Artikulation oder nachlässige Ausformung der kontrapunktischen Teile, verfällt aber auch nicht der Gefahr, Bruckners Satzkünste unsinnlich vorzuführen. Im ersten Satz stellt Kober die Themen deutlich vor, macht ihre Gliederung erlebbar und markiert deutlich etwa den Übergang vom ersten zum zweiten Komplex oder den Abbruch vor dem dritten.

An den Höhepunkten, an denen Klang und thematische Dichte kulminieren, drängt sich der Eindruck auf, die Mercatorhalle neige dazu, die Konturen weich zu zeichnen, aber der zweite Satz, das berühmte Adagio, legt nahe, dass auch das Orchester zu wenig entschieden modelliert. Den Höhepunkt mit dem Beckenschlag bereitet Kober dynamisch sorgfältig vor und erklärt ihn damit für strukturell notwendig, nicht lediglich durch den Effekt motiviert. Im schnellen dritten Satz mit dem betonten Trompetenthema und dem frühlingshaft durchsichtig beginnenden, kontrastreichen vierten Satz wählt Kober stimmige Tempi und hält den Blick aufs Geschehen klar.

Die Philharmoniker zeigen schon im aufstrebenden Cellothema zu Beginn, dass sie Bruckner nicht dumpf-massiv, sondern kammermusikalisch leicht, ja bisweilen mit wienerischer Eleganz zu nehmen beabsichtigen. Den Streichern gelingt das ausnehmend schön im zweiten Thema des ersten Satzes und in lyrisch gelösten Momenten des vierten. Die Wagner-Tuben wirken bei ihrem Auftritt eine Spur zu zurückhaltend, aber ihr spröder Ernst wandelt sich im Cis-Dur des ausklingenden zweiten Satzes zu verklärter Wonne.

Beim nächsten Philharmonischen Konzert am 6. und 7. März in der Mercatorhalle Duisburg erklingt Wolfgang Amadeus Mozarts Requiem mit Christoph Pregardien als Dirigent. Info: https://duisburger-philharmoniker.de/Konzerte/mozarts-requiem-7pk-2018-19

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Über Werner Häußner

Redakteur, Musikkritiker, schreibt u.a. für WAZ (Essen), Die Tagespost (Würzburg), Der Neue Merker (Wien) und das Online-Magazin www.kunstmarkt.com.
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