Schlagwort-Archive: Anton Bruckner

Andris Nelsons in Essen: Bruckners Achte mit einem grandiosen Orchester zum perfekten Produkt aufpoliert

Andris Nelsons beim Konzert in der Philharmonie Essen. Foto: Saad Hamza

Andris Nelsons beim Konzert in der Philharmonie Essen. Foto: Saad Hamza

Bleiben wir zunächst beim Orchester, auch wenn es das Marketing vielleicht gerne anders hätte: Es ist die reine Freude, dem Leipziger Gewandhausorchester zuzuhören. Ein vollkommener Genuss, könnte man sagen, wäre dieser Begriff nicht untertrieben, weil er heute nicht im klassischen Sinn als eine Übereinstimmung des Wahren, Guten und Schönen aufgefasst wird, sondern eher als Umschreibung einer sinnlich-hedonistischen Überwältigung.

Nun eignet sich Anton Bruckner nur bedingt dazu, klippenlos strömenden musikalischen Genuss zu bereiten; dazu sind seine aufgetürmten Akkordgebirge dann doch zu störrisch, seine Lyrismen zu wenig eingängig, und zum Mitsingen hat zumal die Achte Sinfonie wenig Material zu bieten. Die kontrapunktischen Verschachtelungen sind eine Sache für passionierte Analytiker, die auch … Weiterlesen

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Bruckner unter Spannung, Mahler weltabgewandt – Herbert Blomstedt und Christian Gerhaher setzen in Essen Maßstäbe

Herbert Blomstedt, der jung gebliebene Senior unter den Dirigenten. Foto: Martin Lengemann

Zuallererst muss vom Dirigenten die Rede sein. Von Herbert Blomstedt, der mit 92 Jahren noch immer am Pult steht, hoch aufgerichtet, mit kleinen, gleichwohl intensiven Bewegungen sowie punktgenauen Einsätzen. Der nichts von Strenge hat, vielmehr natürliche Autorität ausstrahlt. Der also ein Orchester verlässlich zu führen versteht. Dem Manier, Theatralik oder gar Egozentrik völlig fremd sind.

Blomstedts Auftritt in der Philharmonie Essen ist außerordentlich, ein kostbares Geschenk, das sich, zur Eröffnung der neuen Saison (2019/20), als Paukenschlag erweist. Weil der Dirigent, gehüllt in eine Aura väterlicher Güte, dem Gustav Mahler Jugendorchester betörende Klangschönheit entlockt, es atmen lässt und so der Musik, den fünf Rückert-Liedern Mahlers, zudem Anton Bruckners 6. … Weiterlesen

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Buchstabierter Bruckner und „exotischer“ Ravel bei den Essener Philharmonikern

Fremde Worte, flirrende Klänge, freche Rhythmen, fließendes Melos: Der Exotismus hatte das musikalische Europa im Griff, als der junge Maurice Ravel mit den „Großstadtindianern“ der Gruppe „Les Apaches“ durchs nächtliche Paris zog.

Die Mezzosopranistin Julie Boulianne. Foto: Julien Faugère

Die Mezzosopranistin Julie Boulianne. Foto: Julien Faugère

Auch Griechenland war im Sinne des faszinierend Fernen „exotisch“: Ravel lernte durch einen Apaches-Freund, den griechischstämmigen Michel-Dimitri Calvocoressi – dem er „Alborada del gracioso“ gewidmet hat – die Melodien kennen, die von der Insel Chios stammen sollen. Er umkleidete sie mit einer zart-farbigen Instrumentierung und harmonisierte sie satt von Chromatik und prickelnd spannungsreichen Akkorden.

Die Lied-Miniaturen „Cinq mélodies populaires grecques“ eröffneten das Siebte Sinfoniekonzert der Essener Philharmoniker und Julie Boulianne ließ sich nicht auf vordergründig folkloristischen Ton ein: Sie hält ihren … Weiterlesen

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Freudiger Schluss, verklärte Wonne: Duisburger Philharmoniker und Axel Kober erkunden die Romantik

Ob Anton Bruckners Siebte Symphonie tatsächlich einer „romantischen Vision“ entspringt, wie der Titel des Sechsten Philharmonischen Konzerts der Duisburger Philharmoniker andeutet, sei dahingestellt: Der Begriff der Romantik ist in der Musik unscharf – und Bruckners gewaltiges Gebilde ließe sich aus guten Gründen ebenso als komplexe Weiterentwicklung formaler Prinzipien der „klassischen“ Komponisten lesen.

Axel Kober, Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein und Chefdirigent der Duisburger Philharmoniker. Foto: Max Brunnert

Axel Kober, Generalmusikdirektor der Deutschen Oper am Rhein und Chefdirigent der Duisburger Philharmoniker. Foto: Max Brunnert

Selbst der „sehr feierliche“ und „sehr langsame“ zweite Satz verbirgt hinter seinen Wagner-Anklängen einen Sonatensatz, ist also weit mehr als deskriptive Musik von Trauer und Trost.

Aber genau jener zweite Satz, den Bruckner unter dem Eindruck von Wagners Tod am 13. Februar 1883 vollendete, schlägt die Brücke zu Carl Maria von Webers … Weiterlesen

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Im Dienste der Deutlichkeit: Christoph Eschenbach dirigiert Bruckners Siebte in der Philharmonie Essen

Anton Bruckners monumentale Sinfonien fordern neben einem souveränen formalen Überblick von Orchestern und Dirigenten, sich in der Dynamik eisern zu disziplinieren. Zu verführerisch verleiten die Blechbläser-Batterien dazu, mit Bravour und Bombast abgefeuert zu werden. Dann ist das Fortissimo schnell zu laut und verdirbt den überlegten Aufbau eines dynamischen Spannungsbogens.

Anton Bruckner auf einer historischen Photographie.

Dieser Verlockung hat Christoph Eschenbach in der Essener Philharmonie bei seinem Konzert mit dem SWR Symphonieorchester in Anton Bruckners Siebter Symphonie erfolgreich widerstanden. Auch seine Tempi bezeugen, dass er sich intensiv mit Fragen der Interpretation befasst hat.

Bruckner gibt oft eher Stimmungs-Hinweise als tatsächliche Tempoangaben, und wer „sehr schnell“ und „sehr langsam“ allzu wörtlich nimmt, gerät in Extreme, die der Musik nicht gut tun. Eschenbach … Weiterlesen

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Ein Guss, ein Fluss: Andris Nelsons dirigiert Anton Bruckners 5. Sinfonie im Konzerthaus Dortmund

Der lettische Dirigent Andris Nelsons ist Residenzkünstler in Dortmund und designierter Gewandhauskapellmeister (Foto: Marco Borggreve)

Mehrfach erlitt die Partitur von Anton Bruckners 5. Sinfonie Verschlimmbesserungen. Bei der Grazer Uraufführung im Jahr 1894 präsentierte der Bruckner-Schüler und Dirigent Franz Schalk das monumentale Werk in einer völlig verstümmelten Bearbeitung.

Selbst Gustav Mahler erlaubte sich Kürzungen, als er das Werk 1901 in Wien einstudierte. Er eliminierte einige der von Bruckner gesetzten Pausen mit der Begründung, sie würden den musikalischen Fluss zerschneiden.

Wer jetzt erleben konnte, zu welch grandiosem Gesamtkunstwerk sich Bruckners Originalfassung im Konzerthaus Dortmund rundete, wird Gustav Mahler selbst als eingefleischter Anhänger Unrecht geben müssen. Verantwortlich für diese Augen und Ohren öffnende Interpretation waren das in London ansässige Philharmonia Orchestra und der … Weiterlesen

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Ohne Gedünst: Philippe Herreweghe versachlicht in Essen Bruckners Fünfte

Der Residenz-Künstler der Philharmonie Essen: Philippe Herreweghe. Foto: Bert Hulselmans

Der Residenz-Künstler der Philharmonie Essen: Philippe Herreweghe. Foto: Bert Hulselmans

Die Bruckner-Kritik bedient sich seit etwa einer Generation gerne bestimmter Begriffe, um einen neuen Zugang zu den schwer erklimmbaren Gipfeln des Spätromantikers zu markieren: Bruckner müsse man, so heißt es, vom „Weihrauch“ befreien, seine Klangmassen entschlacken, Pomp und Prunk seiner monumentalen Setzungen aufbrechen, ihn gar entmythisieren oder entkatholisieren.

Da ist was dran; Michael Gielen etwa hat es in seinen Aufnahmen exemplarisch und manchmal verstörend nüchtern gezeigt. Aber der Verdacht, mit solchem bilderstürmerischen Elan von einer in die andere Ideologie zu driften, lässt sich nicht ausräumen. Beispiel „Pomp“: Was soll man davon halten, wenn Bruckner im Finale seiner Fünften Symphonie für den Blechbläserchoral fortissimo bis zum Ende vorschreibt? Damit will er … Weiterlesen

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Der Einzelne und die Gewalten: Gubaidulina und Bruckner unter Thielemann in Köln

Christian Thielemann am Pult der Dresdner Staatskapelle. Foto: Matthias Creutziger

Christian Thielemann am Pult der Dresdner Staatskapelle. Foto: Matthias Creutziger

Ein Orchester mit traditionsreichem, golden fülligem Klang, ein Dirigent mit einem Faible für die deutsche Romantik und ein Komponist, der wie kein zweiter für das Abendleuchten der ungebrochenen Tonalität und für einen Höhepunkt der Symphonik steht: Die Sächsische Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann und Anton Bruckner – diese Verbindung muss einfach funktionieren. Und das tut sie auch: Das Konzert in der Kölner Philharmonie, das heute (10. September) zur Saisoneröffnung im Konzerthaus Dortmund wiederholt wird, ließ die drei vollendeten Sätze von Bruckners Neunter in vollendeter Meisterschaft erklingen.

Solche Höhepunkte sind selten – und dennoch entfachte nicht Bruckners monumentaler Abschied von der Welt das innere Brennen dieses Abends. Sondern Sofia Gubaidulinas tief bewegendes … Weiterlesen

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Philharmonie Essen: Klang-Erkundungen mit Wolfgang Rihms Zweitem Klavierkonzert

Wolfgang Rihm und Essen: Das ist eine ausdauernde Geschichte, die ihren Höhepunkt 2008/09 hatte, als die Philharmonie dem Komponisten von Weltgeltung mit 17 Konzerten eine umfassende Hommage bereitete. Unter anderem wurde damals sein 11. Streichquartett uraufgeführt.

Im Juni dieses Jahres dann erneut eine Uraufführung: „Verwandlung 6“, eine „Musik für Orchester“, geschrieben zum zehnjährigen Bestehen der neuen Philharmonie. Jetzt wäre es beinahe zu einer deutschen Erstaufführung gekommen: Rihms Zweites Klavierkonzert erklang im Rahmen einer Tournee des Gustav Mahler Jugendorchesters unter Christoph Eschenbach, die am Sonntag in Köln endete.

In Salzburg uraufgeführt: das Zweite Klavierkonzert Wolfgang Rihms. Auf dem Foto: Solist Tzimon Barto, Dirigent Christoph Eschenbach und Mitglieder des Mahler Jugendorchesters. Foto: Marco Borelli / Lelli

In Salzburg uraufgeführt: das Zweite Klavierkonzert Wolfgang Rihms. Auf dem Foto: Solist Tzimon Barto, Dirigent Christoph Eschenbach und Mitglieder des Mahler Jugendorchesters. Foto: Marco Borelli / Lelli

Es ist noch keine vierzehn Tage … Weiterlesen

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