Die reine Gegenwart genießen – „Ein kurzes Buch über die Liebe“ von Jochen Schimmang

Von Bernd Berke

Der Erzähler geht so gern durch Kölns urige Quartiere. Dermaßen ans Herz gewachsen ist ihm sein „Veedel“, daß er sogar „Touristen aus anderen Teilen der Stadt“ mißtrauisch beäugt. Manchmal sucht er Kinos und noch öfter Kneipen auf. Und da er langsam in die Jahre kommt, schaut immer sehnsüchtiger den jungen Frauen nach.

„Ein kurzes Buch über die Liebe“, immerhin 45 Kapitel und 316 Seiten lang, hat der Kölner Autor Jochen Schimmang geschrieben. Hauptperson ist ein nicht sehr erfolgreicher Schriftsteller. Der belauscht anfangs im Straßenlokal ein junges Paar, dessen Liebe zu erkalten beginnt. So darf es eben nicht kommen, sagt er sich.

Die Probe aufs eigene Exempel bleibt ihm nicht erspart: Denn bald begegnet dieser Literat der jungen Vera, die mit dem Arzt Dr. Rüben verheiratet ist. Bei einer Autorenlesung sehen sie einander zum ersten Mal – und sind rasch ein heimliches Paar. Von Liebe wollen sie indes niemals reden. Sie vereinbaren statt dessen nebulös, einander „Gefühl und Härte“ zu geben und nehmen sich vor, ohne Ansprüche die erotische Gegenwart zu genießen.

Ein Bescheidwisser erzählt

Zu dumm nur, daß Vera die Frau seines Lebens zu sein scheint. So sehr wächst die Zuneigung, daß man einander gar nicht mehr verändern will. Hier hat sich Schimmang eine große Aufgabe gestellt: Nicht frühzeitiges Scheitern, sondern anhaltendes Glück zu schildern.

Schließlich aber die Schattenseite: Im Liebestaumel schmelzen alle selbstverordneten Regeln dahin, und dem zuvor auf seine Bindungslosigkeit bedachten Mann kommt der Satz „Ich will dich heiraten“ in den Sinn. Das kann nicht gutgehen…

Vom Erzähler vermittelt das Buch ein Doppelgesicht. Einerseits legt er es auf Ehrlichkeit an und gibt auch böse Phantasien zu, andererseits prunkt er mit seiner geballten Kennerschaft.

Unter dem Bescheidwisser-Gehabe leidet mitunter auch die Gabe zu genauer Beobachtung. In weniger inspirierten Passagen schrumpft das Erzählen zum bloßen Feststellen und Erwähnen, zum umständlichen Erörtern oder haltlosen Ausplaudern. Dann sieht es ganz so aus, als entspringe die Geschichte just dem etwas ungalanten „Geständniszwang“, von dem im Buch öfter die Rede ist.

Jochen Schimmang: „Ein kurzes Buch über die Liebe“. Roman. Verlag Schöffling & Co., 316 Seiten, 39,80 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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