Das Phänomen des deutschen Tennisclubs – Dieter Hildebrandts Buch über den weißen Sport

Von Bernd Berke

Frankfurt. Auch der Kabarettist Dieter Hildebrandt („Scheibenwischer“) zählt zu den Autoren, die auf der Buchmesse eine Novität vorstellen. Im Rahmen der dtv-Taschenbuchreihe „Philosophie der Passionen“ hat er seine Leidenschaft für den Tennissport beschrieben. Die Westfälische Rundschau sprach mit ihm darüber – und übers Kabarett.

Warum kommt aus Ihrer Feder ein Buch über Tennis?

Dieter Hildebrandt: Da gab es diese Buchreihe. Dem Verlag fiel ein, mich anzurufen, ob ich auch eine Leidenschaft hätte. Ich war so leichtfertig zu sagen: Ja, Tennis. Sie haben mich darin bestärkt, ich habe mich überreden lassen. Und ich wusste ja auch schon, worüber ich schreiben wollte: Über ein Segment unseres Gesellschaftslebens – die Tennisclubs. Man kann die deutsche Geschichte schließlich auch aus dieser Perspektive betrachten.

Also ist es weniger ein Sport- als ein Gesellschaftsbuch?

Hildebrandt: Genau. Es ist doch hochinteressant, was auf den Tennisplätzen so passiert. Welche Gemeinheiten, welche Boshaftigkeiten! Und was für ein gesellschaftlicher Sud auf den Terrassen, in den Cafeterias von Tennis-Clubs… Und wenn man zurückblickt, findet man in München einen Club, der schon im Jahre 1935 verkündet hat, er sei als erster deutscher Tennisverein „judenfrei“…

Aber der Sport fasziniert Sie trotz allem?

Hildebrandt: Unbedingt. Besonders in der Zeit, als Steffi Graf und Boris Becker so gut waren. Ich war mehrmals als Zuschauer in Wimbledon. Für John McEnroe gegen Björn Borg habe ich sogar Theaterkarten verfallen lassen. Aber mich fasziniert auch der alte Sportsgeist eines Gottfried von Cramm, der einen Wimbledon-Sieg verschenkte, weil er so ehrlich war. Und das Publikum damals! Sie haben noch nicht gejohlt und gekreischt wie beim Rock-Konzert. Inzwischen hat sich das Ganze im Fernsehen ja auch totgesendet.

Kurzer Themenschwenk in Ihr eigentliches Gebiet: Hat es das Kabarett unter Schröder schwerer als unter Kohl?

Hildebrandt: Nein, überhaupt nicht. Sie machen ja die gleiche Politik. Diese neue Regierung ist so schnell alt geworden. Ein Kabarett-Thema könnte sein, wie der Kanzler sich an der Macht festklammert. Oder ob er irgendwann die Vertrauensfrage stellt und sagt: Das war wohl nichts mit uns. Aber haben Sie schon mal einen Politiker gesehen, der sagt: Ich habe mich geirrt?

Und ein Streit wie der zwischen Oskar Lafontaine und Günter Grass? Gibt der etwas her?

Hildebrandt: Naja, wenn man an dem Abend auftritt, benutzt man das für ein paar Pointen. Aber es ist nichts von Dauer. Grass ist eben manchmal unwirsch.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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