Zartbitterer Scherz – Alan Ayckbourns „Familiengeschäfte“ zeitweise mit Zuschauern auf der Bühne

Von Bernd Berke

Wuppertal. Das Wuppertaler Stadttheater kann sich keine Schauspieler mehr leisten. Also müssen die Zuschauer auf die Bühne kommen und alles selbst machen.

Gemach, gemach. Ganz so schlimm ist es noch nicht. Doch im Zeichen allfälliger Kultur-Sparmaßnahmen hat das Ensemble zur Premiere von Alan Ayckbourns Komödie „Familiengeschäfte“ schon mal eine Zukunftsschau gewagt: Regisseur Hans-Christian Seeger betrat eine fast ratzekahle Bühne und bat vielmals um Entschuldigung. Doch eine Ausstattung könne man halt nicht mehr bezahlen. Sprach’s und holte – Rolle für Rolle – dreizehn verdutzte Leute aus dem Publikum auf die Bretter. Die sollten nun gefälligst spielen…

Natürlich war’s nur ein zartbitterer Scherz. Die ins Rampenlicht gezogenen Zuschauer durften sich wieder hinsetzen, denn es gab doch noch echte Schauspieler. Und die Techniker durften nun auch das Bühnenbild hereinschieben. Sie trugen übrigens T-Shirts mit Sponsorenaufdruck.

„Ehrlich sein kann doch jeder Idiot“

Das mit 20 Minuten eine Spur zu länglich geratene Vorspiel auf dem Theater war freilich schon der bessere Teil des Abends. Nicht alle Darsteller schlüpften hernach mühelos in ihre Rollen. Ayckbourns launig-sarkastisches Stück handelt von einer mittelständischen Möbelfirma, deren Fundus vom ganzen Familienclan freihändig geplündert wird. Jeder macht seinen Schnitt, denn (Zitat): „Ehrlich sein kann doch jeder Idiot.“ Nur Jack McCracken (Gerd Mayen) spielt anfangs den Moralapostel und verfolgt jede Verfehlung der Familienbande, wie etwa den Ladendiebstahl der Tochter – bis auch er im Morast landet und sogar den Vertuschungs-Mord an einem Detektiv billigt.

Vielschreiber Ayckbourn flaniert auf dem Boulevard. Um im Straßen-Bild zu bleiben: Der Weg führt zwar nicht an luxuriösen Auslagen vorbei, jedoch an einigen attraktiven Sonderangeboten. Allerdings hat das Stück etliche Hohlräume, und es ist ein bißchen geschwätzig. Boulevard Beo, sozusagen.

Man ist in Wuppertal vielleicht nicht zynisch genug, um den Abgründen des Stücks vollends gerecht zu werden. Selbst die Hausfrau als Freizeit-Domina wirkt hier wie eine „Barbie“. Langweilig ist’s nicht gerade, doch die Sache kommt selten über die Puppenstuben-Harmlosigkeit der in vier Zimmerchen geteilten Bühnenaufbauten hinaus. Der Zuschauerblick wandert immer kreuz und quer in diesem doppelstöckigen Karree.

Schwer ist das: Diese Zimmer mit simultaner Komik zu füllen, wo doch meist nur in einem gesprochen wird. Ein Glücksspiel mit gewissen Leerstellen. Im einen Moment gelingt’s, im nächsten weniger.

Nächste Vorstellungen: 6., 10. und 21. April (immer um 19.30 Uhr)

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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