Der neue Faschismus und seine Zerstörungslust

Kevin Roberts, Vordenker der Agenda zum Umbau der US-Gesellschaft in einen autoritär-faschistischen Staat, hat kurz vor der Wahl von Donald Trump unmissverständlich formuliert, dass es nicht darum geht, die Institutionen der liberalen Demokratie zu reformieren, sondern sie zu zerstören: „Dekadent und wurzellos dienen diese Institutionen einzig als Zufluchtsort für unsere korrupte Elite. Damit Amerika wieder aufblühen kann, dürfen sie nicht reformiert werden; sie müssen verbrannt werden.“

Beängstigend für Anhänger der freiheitlichen Demokratie ist nicht allein die provokative Attitüde dieser Aussagen, sondern auch, dass sie offen die Sehnsucht nach Destruktion und den Wunsch ausdrücken, die liberale Gegenwart in den Orkus der Geschichte zu verbannen, um eine Reise in die schöngeredete Vergangenheit anzutreten. Diese „Zerstörungslust“, so Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey in ihrer Bestandsaufnahme zur Genese der weltweit um sich greifenden Demokratieverachtung, sei aber „keineswegs nur nihilistisch, sie ist schöpferisch und will aus alten Steinen ein neues Gebilde zusammensetzen, das ewig währt. Sie macht den Kern des demokratischen Faschismus aus.“

Libertäre Wünsche und autoritäre Gesten zugleich

In ihrem Buch über die „Gekränkte Freiheit“ (2023) hatten die beiden Autoren eindrucksvoll beschrieben, wie aus dem von Adorno und Horkheimer einst beschriebenen „autoritären Charakter“ in der von den gesellschaftlichen Widersprüchen und sozialer Entwurzelung geprägten Gegenwart ein neuer Typus entstanden ist, der im Namen von Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung libertäre Wünsche und autoritäre Gesten vereint und die spätmoderne Gesellschaft angreift. In ihrem neuen Buch gehen sie einen Schritt weiter und zeigen, woher die „Zerstörungslust“ all jener kommt (und wohin sie führen könnte), die den politischen Phrasen der Populisten und den Visionen des libertären Autoritarismus aufsitzen und in einen selbstgewählten Faschismus abdriften.

Wenn die liberale Gesellschaft ihre Versprechen nicht mehr einlösen kann

Amlinger und Nachtwey werten zahllose Interviews mit Sympathisanten von Donald Trump und Elon Musk sowie den Wählern rechtsradikaler Parteien aus und kommen zum Ergebnis, dass die anti-elitäre Revolte sich gegen die Blockade liberaler Gesellschaften richtet, die ihr Versprechen von Aufstieg und Emanzipation nicht mehr einlösen kann. Die Zerstörung der Gesellschaft, die sie als marode empfinden, wird so zu einem letzten verzweifelten Akt, um nicht von ihr zermalmt zu werden: „Eine radikalisierte negative Freiheit zerstört alles, was ihr in den Weg gestellt wird, und dieser Befreiungsschlag rechtfertigt autoritäre Maßnahmen.“

Um der „dionysischen Kraft des Faschismus“ entgegenzutreten, reiche es aber nicht, an die Vernunft zu appellieren: „Auch der Antifaschismus braucht ein geistiges Obdach. Etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt.“ Was das sein und wie man Freiheit und Demokratie wieder in die Herzen und Hirne der Entwurzelten und Gekränkten implantieren könnte, darüber schweigt sich das materialreiche und lesenswerte Buch aber leider weitestgehend aus.

Carolin Amlinger/Oliver Nachtwey: „Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus.“ Suhrkamp, Berlin 2025, 454 S., 30 Euro.

 

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