Singselig und sturzvital – die „Kinks“ in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Da kommt er, solo mit Gitarre: Ray Davies (49). Er stimmt gleich den Song „A Well Respected Man“ an. Ist ja auch wahr: Seit 30 Jahren ist er mit seinen „Kinks“ auf der Szene. Das ist mehr als respektabel.

Davies beginnt in der nicht ganz ausverkauften Westfalenhalle II mit einem Medley bejahrter Erfolgstitel, das Sommerstück „Sunny Afternoon“ natürlich inklusive. Ray Davies reißt diese Hits nur kurz an. Vielleicht hat er sie sich leid gespielt. Aber sie gehören halt nicht nur dazu, sondern sind auch nachher Kern des Programms – und der Mann freut sich ersichtlich, sein Publikum mit solchen Erinnerungen in den Griff zu bekommen.

Seit 30 Jahren im Rock-Geschäft

Um 30 Jahre unverdrossen in Sachen Rock unterwegs zu sein, braucht man zweierlei: Besessenheit, aber auch so etwas wie Disziplin, um nicht irgendwann abzusacken. Ray Davies genießt es jedenfalls immer noch, wenn die alten Refrains mitgesungen werden. Oft hält er sein Mikrofon in die vorderen Reihen, so als sollten alle beteiligt sein.

Nach dem nostalgischen Einstieg kommt die Band hinzu, natürlich nicht mehr die Ur-Formation. Aber Rays Bruder Dave Davies („Death of a Clown“) ist immer noch dabei. Die zwei sind seit Jahrzehnten aufeinander eingespielt, so daß der Rest der Gruppe – Jim Rodford, lan Gibbons und Bob Henrit – völlig zurücktritt und dienende Funktionen übernimmt. Sie rollen sozusagen den Sound-Teppich für Ray Davies aus.

Manche Metaller ins Abseits gespielt

„Give the people what they want“ scheint man sich – einem Plattentitel folgend – gedacht zu haben: Man präsentiert sich eineinhalb Stunden lang vornehmlich als Hardrock-Band, die jene singselige „Rockpalast-Stimmung“ bedient. Energisch spielt man tatsächlich noch so manche Jüngelchen aus Heavy-Formationen ins Abseits. Dies den Scherzkeksen ins Stammbuch, die behaupten, zu den „Kinks“ könnten nur noch Leute mit Rheumadecken hingehen. Zugegeben, im Publikum sind angegraute Jahrgänge in der Mehrheit. Aber was heißt das schon.

Melodische Feinheiten und die zum Teil kritischen Texte gehen ziemlich unter. Die Leute hören, zumal in einer Samstagnacht, eben lieber solche „Kracher“ wie „You Really Got Me“, „All Day and All of the Night“, „Low Budget“ oder „Phobia“. Die sind aus dem Urstoff des Rock, hämmernd, treibend, fordernd, im Grunde immer optimistisch. Ein sturzvitaler Song wie „Till the End of the Day“ kann einen aufmöbeln für einen ganzen Tag.

Doch das Beste des Abends war sicherlich die furiose Hymne der Widerspenstigen: „I’m not Like Ev’rybody Else“ („Ich bin nicht wie jeder andere“). Man sang’s im Hallenchore mit. Naja, ein Widerspruch ist’s schon, massenhaft ganz anders sein zu wollen. Aber Schwamm drüber. Schön war es doch.

Ärgerlich nur die langweilige Vorgruppe „Katrina and the Waves“. Ein Lied klingt wie das andere, und alle wie eins. Die werden bis in alle Ewigkeit Vorgruppe bleiben.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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