„Sprachtelefon“ weiß Rat: Wo muß das nächste Komma stehen?

Von Bernd Berke

Im Westen. Wo setze ich bloß das nächste Komma? Schreibt man dieses Wort nun klein und zusammen? Muß es hier „daß“ oder „das“ heißen? Was ist ein „Schalander“?

Fragen über Fragen zur deutschen Sprache. Doch jetzt kann Ratsuchenden geholfen werden, denn ab nächsten Montag gibt’s ja in Essen das „Sprachtelefon“, die erste Einrichtung dieser Art im Revier. Am Apparat meldet sich Evangelia Karagiannakis (30), in Deutschland geborene Tochter griechischer Eltern. Zweisprachig aufgewachsen, wurde sie so wortbewußt, daß sie in Bonn Germanistik studierte. Nun betreut sie – vorerst als ABM-Kraft – das Sprachtelefon. Schon in der Testphase, als die Rufnummer noch kaum bekannt war, läutete es sehr oft.

Die eingangs genannten Zweifelsfragen wurden wirklich schon gestellt. Die meisten Anrufer saßen gerade vor ihren Texten und wußten nicht mehr weiter. Da konnte die Germanistin also gleichsam „Erste Hilfe“ leisten. Sekretärinnen riefen ebenso an wie Werbetexter, Lehrer, Studenten und Journalisten.

Die wahrhaft kniffligen Fragen hatten freilich wißbegierige Privatleute. Bei jenem geheimnisvollen „Schalander“ mußte auch Frau Karagiannakis, die sonst meist aus dem Stegreif antworten kann, erst einige Bücher wälzen. Sie fand, daß es sich um das Fachwort für den Pausenraum einer Brauerei handelt. Andere Anrufer fahndeten nach der Quelle einer Redensart („einen Bären aufbinden“) oder wollten zum Beispiel wissen: „Stimmt es, daß es im Deutsehen nur vier Wörter gibt, die auf -nf enden?“

Normierte Hochsprache erst durch Radio und Fernsehen verbreitet

Initiator des Sprachtelefons ist der Essener Germanistik-Professor Karl-Diefer Bünting, der 1990 (in seinem Buch „Grammatik null Problemo“) den zotteligen Fernsehstar Alf als Deutschlehrer einsetzte. Bünting erinnert daran, daß die normierte Hochsprache erst wirklich weit verbreitet sei, seit es Radio und Fernsehen gibt. Zwar sei der Duden bei der Rechtschreibung maßgeblich, nicht aber in Sachen Grammatik. Ob etwa das Wörtchen „wegen“ mit Dativ oder Genitiv einhergehe, darüber streiten sich die Experten. Die immer wieder diskutierte Sprachreform – generelle Kleinschreibung – läßt Bünting kalt: „Auch dann werden wir nicht arbeitslos.“

Unterdessen überlegt der Professor schon, wie er weiteres Geld für sein Sprachtelefon auftreiben kann. Eine Möglichkeit: Die Sache könnte mit einer einschlägigen Buchedition verknüpft werden.

Gar nicht so abwegiger Tipp: Vielleicht sollte die Bundespost/Telekom als Sponsorin auftreten. Schließlich wird sie nicht schlecht am Sprachtelefon verdienen.

Sprachtelefon: 02 01/183-42 55. Ab Montag, 15. Februar. Wochentags 10—12.30 Uhr, donnerstags zusätzlich 14-16 Uhr. Alle Auskünfte am Sprachtelefon sind kostenlos.

 

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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