Von Bernd Berke
Münster. „Don’t be shy! Express yourself!“ – Seid nicht schüchtern, geht aus euch heraus! Die New Yorker Rocksängerin Suzanne Vega wollte ihr Publikum verbal anstacheln. Doch wie, bitteschön, hätten die Leute ihre Musikbegeisterung in dieser kreuzbraven Halle Münsterland mit ihrer aufgereihten Bestuhlung Ausdruck verleihen sollen?
Außerdem ist Suzanne Vega selbst keine Frau von extrovertierter Art. Wenn sie beim Singen mal die Knie bewegt, ist das schon viel. Nur manchmal glaubt man bei ihr eine kleine, fast diebische Freude an der eigenen Musik zu verspüren. Ihre Intensität liegt woanders: in einer leicht neurotisch angehauchten Innerlichkeit. Angetan mit einer Kluft zwischen Uniform und Schulmädchenkleid (weiße Söckchen) steht sie auf der Bühne. Blaß, zerbrechlich, aber irgendwie standhaft und tapfer.
Suzanne und ihre erprobte Band (klassische Gitarrenrock-Besetzung) bringen einen soliden Querschnitt durch die bisherigen drei LPs/CDs: „Suzanne Vega“, „Solitude Standing“, „Days of Open Hand“; Hits wie „Luka“ und „Book of Dreams“ inklusive. In der vielleicht besten Passage des Abends singt Suzanne Vega aber ohne Band, unter anderem einen kleinen Folksong aus ihrer Schulzeit.
Nicht jeder ihrer eigenen Songs ist eine kreative Öffenbarung, manche Elemente wiederholen sich. Doch jede Nummer stammt unverwechselbar von ihr, jede trifft traumwandlerisch einen gewissen melancholischen Ton, jede für sich ist anhörenswert – und manch eine schlicht und ergreifend schön.
Eineinhalb Stunden dauerte das Konzert. Für ausschweifende Zugaben reicht das Songmaterial noch nicht aus. Nicht nur die Dauer, auch die Art der Präsentation wirkt ein bißchen abgezirkelt. Alles klingt live genau wie auf Platte. Manche mögen das, sie wiederhören. Aber die Spontanität bleibt etwas auf der Strecke.
Trotz solcher Einwände: Suzanne Vega gehört zum Originellsten und Echtesten, was die Rockszene Anfang der 90er zu bieten hat.