Gonschiors Farb-Forschungen

Von Bernd Berke

Dortmund. „Hoch an der Zeit“ sei es und geradezu eine „befreiende Tat“, findet Ostwall-Museumsdirektor Ingo Bartsch, daß ein Mann wie Kuno Gonschior endlich eine erste große Retrospektive bekomme. Schließlich verfolge dieser Künstler seit 30 Jahren ebenso beharrlich wie bewundernswert sein Konzept einer elementaren „Malerei-Malerei“, sprich: einer Erforschung der Grundlagen von Malerei mit deren eigenen Mitteln, vor allem der Farbe.

Der 55jährige Gonschior selbst, 1977 auch schon mal documenta-Teilnehmer, empfindet späte Genugtuung. Bisher seien seine Arbeiten – ganz im Gegensatz zu anderen Regionen – von Revier-Museen wenig beachtet worden. Im Hagener Osthaus-Museum gab es 1979 nicht den erhofften Durchbruch, und die Städtische Galerie Lüdenscheid, die ihn 1989 vorstellte, hat nicht die räumlichen Möglichkeiten großer Kunsthallen. Nun also Dortmund als Start-Station einer Wanderausstellung, die u.a. nach Berlin weiterreist, wo der in Bochum lebende Gonschior Professor an der Hochschule der Künste ist.

Was gibt’s zu sehen? Salopp gesprochen: nichts als Farbe; doch diese immer wieder neu und anders. Ein Vor-Bild war Josef Albers, Klassiker der Moderne aus Bottrop; vermutlich standen anfangs auch die französischen „Pointillisten“ Pate, die im Gefolge des Impressionismus die Bildfläche in lauter Farbpunkte auflösten. Auf Grund mathematisch-physikalischer Untersuchungen zur Farbtbeorie, deren Erkenntnisse er aber zunehmend frei umsetzt, erarbeitet sich Gonschior seine meist zweidimensionalen Farb-„Räume“.

Beispiel im Lichthof: Vier riesige, flache Farb-„Horizonte“, deren zahllose gelbe oder blaue Pinselschläge bei längerem Hinsehen seltsam changieren und eine Art imaginäres Violett um sich herum erzeugen. Oder: Auf einer bewußt laienhaft gemalten Serie (Titel: „Piccadilly“) bilden sich – kalkulierte Häßlichkeit – rings um die spitz aufragenden Farbtupfer schmutzig-dunkle Flecken aus den öligen Bestandteilen der Malmaterie.

Vergleichbare allmähliche Wandlungen gibt es bei vielen Bildern des Kuno Gonschior. Auch die Vernachlässigung technischer Feinheiten ist Programm: Manchmal drückt Gonschior Schlieren direkt aus der Tube auf den Bildträger. Der Ausdruck zählt, nicht kühle Meisterschaft.

Der Künstler wünscht vor allem, daß man ausgiebig hinsieht: „Lieber vor nur drei Bildem je einige Minuten stehen, als durch die ganze Ausstellung eilen“, empfiehlt er. Vorgaben läßt er nicht gelten. Bei seinen Bildern könne man ruhig jederlei Assoziation haben. Botschaften irgendwelcher Art seien nicht beabsichtigt: „Die Bilder sind, was man sieht.“ Nicht mehr und nicht weniger.

Die Farbfindung jedenfalls erweist sich für Gonschior seit 1959 als schier endloser Prozeß. Eintönig aber ist das nicht: Mal gibt es Op-art-Effekte wie bei den vibrierenden Leuchtfarben-Bildern der 60er Jahre, mal hügelige Farb-Landschaften, mal den losgelösten Farb-Rausch, dann („schwarze Serie“ der 70er Jahre) sozusagen auch Farb-Depressionen. Farbe kann, man lernt es hier, für eine ganze, höchst eigene Welt stehen.

Kuno Gonschior. Arbeiten von 1959 bis 1990. Ostwall-Museum, Dortmund. Bis 11. März. Katalog 30 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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