Am Rande eines einschlägigen Gerichtsverfahrens fiel einmal der Satz, die Filmerin Leni Riefenstahl habe während der NS-Zeit stets oben schwimmen können – „wie ein Fettauge auf der Suppe“. Der Vergleich trifft wohl auch auf den Bildhauer Arno Breker zu, der heute in Düsseldorf 90 Jahre alt wird.
Brekers Hang zu aufgeblähtem Pathos, zur hohlen Monumentalität, zu einer Scheinwelt idealisierter Körper, paßte wie angegossen zum Geschmack der Nazi-Ideologen. Die NS-Führungsclique machte ihn zum engen Vertrauten. Er meißelte Büsten von Hitler und anderen Nazi-Größen, verschrieb sich der Produktion für die Partei. So verschleuderte er sein zuvor durchaus bewiesenes Talent. Nur ein mißbrauchter „Idealist“? Oder nicht doch ein bewußter Mithelfer, indem er Skulpturen wie „Vernichtung“, „Vergeltung“, „Rächer“ und „Kämpfer“ schuf? Breker soll, so heißt es, zwisehen 1938 und 1943 auch verfolgten Künstlern geholfen haben. Picasso zum Beispiel. In der Stalin-Ära bemühten sich angeblich auch die Herren des Kreml um die Dienste des Deutschen. Breker lehnte ab.
Breker, am 19. Juli 1900 inElberfeld (heute Wuppertal) geboren, spielte auch eine Rolle in jenem Lehrstück über den oft bruchlosen Übergang in die Adenauer-Ära. Im Jahr 1948 für ein Bußgeld von 100 DM als „Mitläufer“ entnazifiziert, war er schon bald nach dem Krieg wieder gefragter Porträtist der Begüterten. Der Bankier Hermann Josef Abs saß ihm ebenso Modell wie Versandhaus-König Helmut Schickedanz, Mitglieder der Quandt-Dynastie, Kaiser Halle Selassie, der politisch stets unzurechnungsfähige Salvador Dali, die nichts als schrille Gloria von Thurn und Taxis oder der allzu rundum aufgeschlossene Kunstmäzen Peter Ludwig. Auch Modellathleten wie der Zehnkämpfer Jürgen Hingsen oder die Hochspringerin Ulrike Meyfarth waren in Brokers Atelier in Düsseldorf-Lohausen willkommen.
Nicht wenige Surrealisten reklamierten Broker als einen der Ihren. Daran dürfte wahr sein, daß Breker Reflexion und Verantwortung in einem quasi-surrealistischen Sinne ausblendete, so daß seine Figuren sich zu einem (Alp)-Traumreich verlogener Schönheit zusammenfügen, das durch die Akademie-Tradition des 19. Jahrhunderts vermittelt wird. Die Texter eines Bildbandes jedenfalls, die Breker im Untertitel als „Michelangelo des 20. Jahrhunderts“ feierten, griffen nicht nur bei weitem zu hoch, sondern gänzlich fehl. Inwiefern, das hat u. a. der verstorbene Bochumer Kunsthistoriker Max Imdahl detailliert belegt.
Wiederholt bewies Breker seine notorische „Unfähigkeit zu trauern“. Eine kritische Anfrage war ihm vor einigen Jahren höchst lästig. Denkbar blauäugig antwortete er: „Wie kann denn Liebe blühen, wenn immer wieder Neid und Haß gesät werden?“ Noch kürzlich sagte er, daß er von „damals“ nichts mehr hören will: „Ich brauche meinen Frieden, um zu arbeiten“. – Ja, den Frieden. Den hätten andere auch gebraucht. Damals, als Breker zu den Aggressoren hielt.
Bernd Berke