Experten warnen: Auch neue Kunst verfällt schon

Von Bernd Berke

Wuppertal. Die Kunst-Restauratoren schlagen Alarm: Nicht nur Werke alter Meister verfallen, auch moderne und zeitgenössische Arbeiten sind schon bedroht. Das Thema steht bei der Jahrestagung des Deutschen Restauratoren-Verbandes (bis Samstag in der Wuppertaler Stadthalle) auf der Tagesordnung obenan.

Experimentierlust und Geldsorgen moderner Künstler machen den Restauratoren zu schaffen. Manch mittelloser Künstler hat einfach beim Material gespart – mit schlimmen Folgen für die Haltbarkeit. Und: Seit dem Aufkommen neuer Materialien in der Objektkunst (von Plastik-Teilen bis zur berühmten „Honigpumpe“ oder „Fett-Ecke“) laufen die für den Erhalt zuständigen Experten der Entwicklung sowieso hinterher. Man ist gerade erst dabei, einen Katalog der Stoffe, also eine Art Ersatzteilliste zu erstellen.

Manche Gegenwarts-Künstler wollen gar, daß Werke allmählich verwittern und vergehen; es gehört zum Konzept. Wann soll und darf man dem Wunsch zuwiderhandeln? Bei Museums-Stücken ist das keine Frage: Der Direktor kann eine Wiederherstellung des Anfangszustands verfügen, notfalls gegen die Intention des Künstlers. Eigentum geht dann vor Urheberschaft.

Verschleiß im rotierenden Ausstellungsbetrieb

Ganz mißlich wirkt sich nach Auffassung der Restauratoren der rotierende Ausstellungs-Betrieb aus. Verbandsvorsitzender Helmut Reichwald (Stuttgart): „Ausnahmslos jeder Transport ist schädlich“. Um sich am Markt durchzusetzen, schicken Galeristen Arbeiten junger Künstler auf „Tourneen“ mit oft 50 Stationen. Wenn schließlich ein Museum zugreife, sei der „Leidensweg“ noch lange nicht vorbei. Im regen Tauschverkehr zwischen den Instituten – Prinzip: „Nur wenn du mir leihst, leih‘ ich dir“ – würden die Objekte weiter verschlissen.

Ingeborg von Baum, als freie Restauralorin für das Essener Folkwang-Museum und das Wuppertaler Von der Heydt-Museum tätig, kann ein Lied davon singen: „Von bedenklichen Ausstellungs-Projekten erfahre ich meist zu spät“. Nicht selten würden ihre Warnungen dann freundlich überhört. Der Ehrgeiz von Kommunen und Museen, mit Spitzenwerken zu glänzen, ist stärker. So dringen denn die Restauratoren darauf, früher gehört zu werden, um vorbeugen zu können. Wenn man erst reparieren müsse, sei meist nur noch kosmetische Schadensbegrenzung möglich. Ehrlicherweise müsse man oft von Vertuschung reden. Es sei fast wie bei der verschämten „Korrektur“ eines Unfallschadens am Gebrauchtwagen: Welches Museum gibt schon zu, daß seine Exponate eine Wertminderung erlitten haben?

Versicherungen zahlen längst nicht für alle Schäden

Weiteres Problem: Es gebe viele „unsichtbare“ Schäden unterhalb der Versicherungs-Schwelle, die gleichwohl nachhaltig wirken könnten. Bezahlt werde aber praktisch nur für spektakuläre Zerstörungen wie etwa Löcher, tiefe Kratzer und Verätzungen. Für Schäden, die ursächlich mit der Maltechnik zu tun haben, stehen Versicherungen nicht gerade.

Und dann gibt’s noch die Umweltschäden, besonders an Denkmälern, wobei – so die Fachleute – nicht alles mit dem „sauren Regen“ erklärt werden könne. So seien z. B. im 19. Jahrhundert Denkmalschäden häufig mit Zement kaschiert worden. Später habe sich diese Materialwahl als grundfalsch erwiesen. Zement biete dem Regen Angriffsflächen, werde schnell porös.

Selbstbewußter agieren könnten die Restauratoren erst dann, wenn ihr Beruf allseits anerkannt ist. Dieses Verbandsziel sei aber gefährdet. Einerseits dränge das Handwerk laienhaft ins Metier, andererseits gebe es, u. a. in Gelsenkirchen, dreijährige Schnell-Kurse. Etwa sieben Jahre (wie in Köln oder Stuttgart üblich) seien nötig.

Kontakte mit dem DDR-Verband wurden auch schon geknüpft. Akutes Problem dort: West-Firmen wollen jetzt mit – womöglich minderwertigen – Restaurierungen in der DDR die schnelle Mark machen.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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