Weltweit größtes Beuys-Museum entsteht am Niederrhein

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Mit zunächst rund 40 Millionen DM kann am Niederrhein das weitaus größte Beuys-Museum der Welt entstehen. Die Eröffnung ist für 1994/95 geplant.

Mit dem Millionen-Betrag, berechnet nach heutigem Kostenstand, soll das zwischen Kleve und Kalkar gelegene Schloß Moyland zum Museum umgebaut werden. Der größte Teil der Summe kommt aus Landesmitteln für Stadterneuerung Das Land wird auch rund 80 Prozent der Betriebskosten (nach Eröffnung ca. 1,7 Mio. DM jährlich) finanzieren. NRW-Ministerpräsident Johannes Rau (SPD), der die entsprechenden Kabinettsbeschlüsse seiner Landesregiemng gestern in Düsseldorf erläuterte, sprach von einer Sternstunde fur die hiesige Kunstlandschaft.

In die „Stiftung Museum Schloß Moyland“ gehen zwei Besitztümer ein: Zum einen die umfangreichste BeuysSammlung überhaupt, zusammengetragen von den Brüdern Hans und Franz Joseph van der Grinten (Kranenburg/Nîederrhein). Die beiden Bauernsöhne, heute ausgewiesene Kunstexperten, hatten als Jugendliche mit dem aus Kleve stammenden Beuys Freundschaft geschlossen und ihm manches Werk abgekauft, als er noch längst nicht weltberühmt war. Zweites Stiftungsvermögen ist das Schloß selbst, das sich heute im Besitz des Barons Adrian von Steengracht befindet und dessen Vorfahren es 1766 erwarben. Der gotische Kernbau (14./15. Jhdt.) wurde später im neugotischen Stil „ummantelt“. Zur stolzen Geschichte des Gemäuers gehört u. a. die legendäre erste Begegnung Friedrichs des Großen mit dem französischen Philosophen Voltaire im lahr 1740.

Nach schweren Kriegbeschädigungen drohte das Schloß zur Ruine zu verfallen. Davon ist längst keine Rede mehr. Im Gegenteil: Auch der Schloßpark wird wahrscheinlich wiederhergestellt. Die Gesamtanlage dürfte ein Schmuckstück der mit 348 Instituten nicht gerade ärmlichen NRW-Museumslandschaft werden. Besonderen Reiz verspricht man sich vom Zusammenspiel altehrwürdiger Geschichte und zeitgenössischer Kunst.

Johannes Rau schwärmt von der Sammlung

Johannes Rau, der das Zustandekommen der Stiftung als Fügung großer Glücksfälle bezeichnete, sagte, die Kollektion umfasse derzeit rund 40 000 Originalkunstwerke und reiche Archivbestände. Werke von Joseph Beuys (über 220 gemalte Arbeiten, zahlreiche Plastiken, über 250 Objekte, mehr als 3500 Zeichnungen/Aquarelle sowie ein riesiges Beuys-Archiv u. a. mit Briefen) sind dabei „nur“ das Herzstück. Hinzu kommen etliche wertvolle Bilder, Objekte und Skulpturen rheinischer Künstler: aus dem Umkreis der Düsseldorfer Kunstakademie und überhaupt aus dem weiten und prominent besetzten Feld der Moderne. Kupferst’iche, ein Medaillenkabinett, eine Plakatsammlung sowie eine photographische Abteilung runden die Sammlung ab.

Die Bestände sind dermaßen groß, daß laut Auskunft der Bruder van der Grinten nur jeweils 8 bis 9 Prozent auf einmal gezeigt werden können. Mithin wird man auch ständig Wechselausstellungen aus Eigenbesitz veranstalten können, man muß sich nur im Depot bedienen. Das Schloß soll einen vollwertigen Museumsbetrieb (mit pädagogischem Dienst, Werkstätten usw.) aufnehmen und durch Ankäufe seine Sammlung möglichst noch erweitern.

Daß Beuys‘ schwieriges Werk die Leute abschrecken könne, glauben die Brüder van der Grinten keineswegs. In letzter Zeit seien breites Interesse und Wohlwollen auch bei Nicht-Experten festzustellen. Außerdem werde man sich bemühen, Besucher mit ge-genständlichen Arbeiten von Beuys (Zeichnungen) behutsam heranzuführen.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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