Von Bernd Berke
Düsseldorf. Wolfgang Otto Schulze (1913-1951) war ein heimlicher Kunst-Mythos der Nachkriegsjahre. Sein Leben war weniger mythisch. Lange Jahre lebte der gebürtige Berliner, der 1933 aus Deutschland emigrierte, als verarmter Alkoholiker in Paris, quasi ein Clochard. Der Mann, der seinen Namen seit 1937 mit „Wols“ abkürzte, starb 1951 an einer banalen Lebensmittelvergiftung.
Wols ist zeitlebens ein „Künstler-Künstler“, ein Idol seiner Kollegen geblieben. Jetzt ist, erstmals seit langem und umfangreicher denn je, zu besichtigen, was vom Mythos bleibt – ohne das Pathos der Nachkriegsjahre.
Bei den 43 Gemälden, die in der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW ausgestellt sind (bis 27. Mai, Katalog 59 DM), handelt es sich fast um die Hälfte aller seiner Ölbilder. Diese entstanden erst in den letzten Lebensjahren, in zwei relativ kurzen, höchst produktiven Schüben. Außerdem umfaßt die Ausstellung etwa 120 Zeichnungen sowie Aquarelle und Druckgraphik. Leider hat man die photographischen Arbeiten aus der von Zürich kommenden Schau wegen Platzmangels aussortieren müssen.
Im photographischen Werk und den frühen Aquarellen finden sich noch deutliche Bezüge zur Traumwelt des Surrealismus. Äußerst filigrane Arbeiten mit Aquarelltechnik und Tuschfeder lassen auch Einflüsse von Paul Klee erkennen. Es sind empfindliche, verletzliche Linien-Gespinste, in der Bildmitte kreisförmig in sich zusammengezogen, zuweilen auch zu amöbenhaft-biologischen Urformen mutiert.
Wols gehörte der „verlorenen Generation“ zwischen den wilden 20er und den dumpfen 50er Jahren an. Aus NS-Deutschland emigriert, wurde er in Frankreich zeitweise interniert. Nach dem Krieß verdächtigten ihn die Amerikaner der Spitzeldienste für das „Dritte Reich“. Es war ein unbehaustes Dasein fernab vom Kunstbetrieb.
Die Abwendung vom Gegenständlichen ist bei Wols weniger kunstgeschichtlicher Fortschritt als Ausdruck einer Verlust-Erfahrung. Die zerstörte Welt ist nicht mehr in unversehrten Gegenständen zu fassen. Oft scheinen sich die Formgebilde von Wols auf schwankendem, unsicherem Boden zu befinden. Nicht nur „Le bateau ivre“ (Das trunkene Schiff) schlingert ziellos dahin, auch die zahlreichen Stadt-Bilder gleichen bedrohten Organismen oder im luftigen Raum schwebenden Strahlungen. Anders als Emil Schumacher, trägt Wols – auch er eine Leitfigur des Informel – die Farbe selten in leidenschaftlicher Manier auf. Es sind Explosionen der leiseren Art. Linien und Wirbel verlieren sich im dunklen Nirgendwo.