Das doppelte Gesicht der Städte im Revier – Zwei Rheinländer auf Kunstreise durchs Ruhrgebiet

Von Bernd Berke

Essen. In Hagen erstiegen sie den Bismarckturm, in Dortmund begaben sie sich auf eine Anhöhe im grünen Süden der Stadt. An solch idyllischen Flecken breiteten die Künstler Jürgen Jansen (26) und Uwe B. Eßer (26) jeweils zwei exakt gleich große Leinwände aus und malten – von „ganz weit draußen“ – Stadtansichten, in punkto Perspektive vergleichbar mit alten Stadtansichten.

Jansen nahm sich stets die linke, Eßer die rechte Hälfte des Bildes vor. Bei solcher Arbeitsteilung kam es – auf ihrer Rundreise durchs Revier im Herbst ’85 – auch schon mal zu Diskussionen, in welcher Höhe denn zum Beispiel die Horizontlinie verlaufen solle. Sie einigten sich aber immer.

Einträchtig präsentieren sie jetzt auch das künstlerische Resultat ihrer Ruhr-Tour im Lichthof der Zentrale des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (Kronprinzenstraße 35, Essen). Die Synchronbilder, aus Zeit- und Mobilitätsgründen mit schnelltrockender Acrylfarbe ausgeführt, laufen nicht auf Einebnung von Subjektivität hinaus. Obwohl beide Künstler nebeneinander arbeiteten und ihre Teilbilder einander abglichen, kommt doch der je besondere Blick deutlich zum Vorschein. Während bei Jansen die Szenerien eher in gewittrige Atmosphäre getaucht sind, wirken ein- und dieselben Orte auf Eßlers Bildhälften lichter und klarer, ja mitunter wie Ansichten aus Südeuropa. Die Städte bekommen so eine Art Doppelgesicht.

Wie schwer und langwierig es gewesen sei, die postkartenträchtigen Aussichten aufzufinden, wollen beide Künstler mit einem Videofilm von ihrer Kunstreise dokumentieren, der ebenfalls zur Ausstellung gehört. Da besteht das Revier hauptsächlich aus Asphalt, Lärmschutzzäunen, ödem Brachland und Starkstrommasten. Gründe für die beiden gebürtigen Rheinländer, nicht ins Herz der Städte zu gehen, sondern sie aus der Distanz abzubilden? Aus der Entfernung, so zeigt sich jedenfalls, gleichen sich die Stadtsilhouetten einander an, sie vermischen sich, werden vielleicht gar zu Bildern einer einzigen übergroßen Stadt.

Außer in Hagen und Dortmund machten die Künstler u. a. noch in Haltern, Essen, Bochum-Gerthe, Hattingen, Wetter und Witten Station. Hamm und Unna freilich kamen nicht in Frage. Diese Städte boten, weil nach Ansicht der Künstler „zu flach“ gelegen, keine lohnenden Aussichtspunkte.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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