Von Bernd Berke
Im Westen. Das hat es noch nie gegeben: Gleich 46 Städte schicken sich an, im Juni/Juli 1984 zur „Kunstlandschaft Bundesrepublik“ zusammenzuwachsen.
Unter diesem Titel wird, parallel an Orten im gesamten Bundesgebiet, ein Querschnitt durch die einheimische Kunstszene gezeigt, und zwar nach dem Tauschprinzip: So zeigt Berlin Kunst aus dem Ruhrgebiet und Westfalen, Köln präsentiert die „Szene München“, München wiederum Objekte aus Frankfurt, Münster nimmt sich die Arbeiten aus Niedersachsen vor usw.
Das gigantische Projekt, mit einem vermutlichen Aufwand von 1,5 Mio. DM noch vergleichsweise preisgünstig, wurde von der erst 1980 gegründeten Arbeitsgemeinschaft deutscher Kunstvereine (AdKV) ins Leben gerufen. Von 90 Kunstvereinen beteiligen sich 46, unter anderem der noch relativ junge Kunstverein in Siegen sowie die Pendants aus Wuppertal und Münster. AdKV-Vorsitzender Dr. Wulf Herzogenrath: „Gerade Kunstvereine in kleineren Städten bekommen wichtige Impulse.“ Von den Großstädten fehlen mangels intakter Kunstvereine jene des Reviers, aber auch das Saarland, die Pfalz und Nürnberg sind nicht vertreten.
Im Gegensatz zum millionenschweren Düsseldorfer Projekt, mit dem „Westkunst“-Macher Kasper König beauftragt wurde (die WR berichte), betont „Kunstlandschaft“ die regionale Vielfalt, läßt den höchst unterschiedlichen „Szenen“ ihr Eigengewicht. Außerdem soll nicht nur die Marktelite vorgestellt werden, sondern auch vielversprechende Talente.
Pro Region – es kristallisierten sich zehn Schwerpunktgebiete heraus – sollen etwa 35 Künstler, insgesamt also etwa 350 junge Künstler ab Jahrgang 1940 mit jeweils bis zu sieben aktuellen Werken vertreten sein. Je nach örtlicher Tradition und Beschaffenheit der Ausstellungsräume gliedert sich das Projekt auch nach Gattungen. So sollen zum Beispiel im Schloß Brühl Skulpturen gezeigt werden, während Köln Malerei präsentiert, Hamburg Raum-Installationen berücksichtigt und Wilhelmshaven Foto- und Video-Kunst in den Vordergrund stellt. Extra in NRW: Wenn die hiesige Kunst von ihren „Gastspielen“ heimkehrt, folgt im Herbst ’84 eine Präsentation in der Halle Münsterland.
Wulf Herzogenrath, der gestern in Köln vor Journalisten das Konzept umriß, wertet die Fülle der Ausstellungen als „regional, aber nicht provinziell.“ Diese Leitlinie sei der Struktur der bundesdeutschen Kulturlandschaft mit ihren vielen Zentren angemessen.
Umfangreich wie die Ausstellungen, verspricht auch der Katalog zu werden. Er soll nicht weniger als elf Bände umfassen, jedem Künstler vier Seiten widmen und an allen Ausstellungsplätzen sowohl in Einzelbänden als auch im Paket erhältlich sein.