Künstler will 350 Kilometer langen Kreidekreis ziehen – Gunter Demnig kommt auch durch Dortmund und durchs Sauerland

Von Bernd Berke

Im Westen. „Spuren-Demnig“ ist ab Sonntag wieder unterwegs. Mit einer 350 Kilometer langen Linie aus Schlämmkreide“ (Titel: „Kreidekreis“) will Günter Demnig (35) binnen 14 Tagen eine abgezirkelte Spur um die Wuppertaler „Galerie Brusten“ ziehen.

Weil er sich dabei stets im 40-Kilometer-Abstand vom Kreismittelpunkt bewegt, wird er auch in Dortmund (Scharnhorst) und Iserlohn Kreide hinterlassen sowie an Altena, Lüdenscheid und Olpe vorbeikommen. Start und Ziel: der Kölner Kunstverein.

Demnig wird sein Plexiglaswägelchen, aus dem die Kreide (umweltfreundlich und bei trockenem Wetter eine Woche haltbar) rinnt, von Köln aus im Uhrzeigersinn durch die Lande schieben. Für den Kreidenachschub hat er Depots ausgeguckt, etwa Gaststätten am Streckenrand. Genächtigt wird im Zeit.

Was soll der Betrachter denken? Demnig will der Phantasie nicht vorgreifen, nennt aber Stichworte: „Meine Strecke ähnelt auf der Landkarte den Ziel- und Fadenkreuzen militärischer Planer.“ Mögliche Assoziation: Der Mittelpunkt als Ziel eines Angriffs, der Radius als Grenze der betroffenen Region. Gerade dieses abstrakte, lebensferne Szenario will Demnig, Assistent an der Kasseler Gesamthochschuie, durchbrechen, wenn er die „im Fadenkreuz“ liegenden Gegenden erwandert. Demnig: „Dabei löst sich die Abstraktion der Karte auf, und ich sehe eine konkrete Landschaft, begegne lebendigen Menschen.“ Solche Begegnungen will er auch zu Dokumentationszwecken nutzen; Neugierigen wird er seinen Fotoapparat in die Hand drücken. Das erspart Stativ und Selbstauslöser.

Demnig machte des öfteren mit aufsehenerregenden Spur-Gestaltungen von sich reden: So zog er 1981 eine „Blutspur“ von Kassel nach London und 1982 einen „Ariadne-Faden“ von Kassel nach Venedig. Relikte dieser Fern-Gänge sind ab morgen in der erwähnten Wuppertaler Galerie zu sehen.

Des Künstlers weitere Vorhaben für 1983: Im September schippert er mit einem polnischen Frachter nach New York und versenkt dabei mehrfach Flaschenpost im Atlantik. Antwort erbeten ans New Yorker Museum of Modern Art, das die Rückmeldungen sammeln will. Im November geht Demnig nach Köln und „hinterläßt besonders dauerhafte Spüren: Mit dem Brenneisen will er seine Signatur in den Schuhsohlen mutiger Interessenten verewigen. Etwaige Sorgen zerstreut er: „Das Brenneisen drückt zwar symbolisch Besitzergreifen aus, dringt aber nur 2 bis 3 Millimeter tief“.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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