Der Staub der vielen Jahre – John Osbornes „Blick zurück im Zorn“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Wie auf einer verlassenen Baustelle erhebt sich das ärmliche Zimmer der Porters. Bescheiden möbliert, leben die Anti-Helden von John Osbornes „Blick zurück im Zorn“ auf unsicherem Grund: Bühnenbildner Raimond Schoop hat die realistisch ausstaffierte Ein-Zimmer-Hölle auf eine zerfetzte Beton-Armierung gesetzt.

Dort läßt Jimmy Porter (Peter Hommen) seine mittlerweile etwas angestaubten Haßtiraden auf Gott und die Welt der 50er Jahre vom Stapel, ein „abgebrochener Student“, der seinen Unterhalt als Bonbonverkäufer bestreitet. Die aus Verbitterung und Resten von Sehnsucht nach wilder Lebendigkeit gespeisten Zorn-Monologe verschonen niemanden. Jimmys phlegmatische Frau Alison (Claudia Gehre), sein hilflos um Frieden bemühter Freund Cliff (Alexander Pelz) und Helena (Claudia Amm) werden zu Zielscheiben verbitterter Rede.

In Wuppertal geht das auf biedere Weise seinen theatralischen Gang. Es scheint, als habe die Regie (Karl-Heinz Kubik) den 27 Jahre alten Text nur noch einmal illustrieren wollen, ohne jeglichen Verweis auf Weiteres. Als sei seit 1956 nichts Nennenswertes geschehen, wird auf viele Möglichkeiten verzichtet: Beispielsweise darauf, die verschiedenen 50er-Jahre-Modewellen, die seitherüber uns hereingebrandet sind, mitzureflektieren oder auch darauf, dem Stück neue Dimensionen über das Verhältnis zwischen den beidenFrauen abzugewinnen, deren verzichtreicher Edelmut in dieser wenig ambitionierten Inszenierung ein Rätsel bleiben muß.

Offenbar aus Angst, Osbornes Text zu denunzieren, hat man ihn wie etwas Unantastbares, Abgestorbenes behandelt. Tot bleiben auch Teile des Inventars: Funktionslos steht ein Flipperautomat herum. Man weiß nicht: was soll er bedeuten? Amerikanisierung oder „Das Leben ein Spiel?“ Oder kam es auf die Lichteffekte des Geräts an?

Den Schauspielern fiel es sichtlich schwer, sich im Nicht-Konzept der Inszenierung zu bewegen, am besten gelang dies noch Alexander Pelz als Cliff. Peter Hommen gab angestrengt vor, zornig zu sein, Claudia Gehre blieb auch am Schluß blaß, als sie gereift hätte wirken müssen, Claudia Amm konnte Möglichkeiten nicht ausschöpfen.

Der Beifall war herzlich: man hat hier ein dankbares, unverwöhntes Publikum.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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