Monatsarchive: Mai 1983

Der Staub der vielen Jahre – John Osbornes „Blick zurück im Zorn“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Wie auf einer verlassenen Baustelle erhebt sich das ärmliche Zimmer der Porters. Bescheiden möbliert, leben die Anti-Helden von John Osbornes „Blick zurück im Zorn“ auf unsicherem Grund: Bühnenbildner Raimond Schoop hat die realistisch ausstaffierte Ein-Zimmer-Hölle auf eine zerfetzte Beton-Armierung gesetzt.

Dort läßt Jimmy Porter (Peter Hommen) seine mittlerweile etwas angestaubten Haßtiraden auf Gott und die Welt der 50er Jahre vom Stapel, ein „abgebrochener Student“, der seinen Unterhalt als Bonbonverkäufer bestreitet. Die aus Verbitterung und Resten von Sehnsucht nach wilder Lebendigkeit gespeisten Zorn-Monologe verschonen niemanden. Jimmys phlegmatische Frau Alison (Claudia Gehre), sein hilflos um Frieden bemühter Freund Cliff (Alexander Pelz) und Helena (Claudia Amm) werden zu Zielscheiben verbitterter Rede.

In Wuppertal geht das auf biedere Weise seinen … Weiterlesen

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Geschichte der türkisch-westfälischen Beziehungen – Ausstellung in Münster

Von Bernd Berke

Münster. Westfalen und Türken haben es nicht erst miteinander zu tun, seitdem die „Gastarbeiter“ gerufen wurden. Daß es vielmehr eine lange (und schlachtenreiche) Tradition solcher Wechselbeziehungen gibt, belegt die gestern eröffnete Ausstellung „Münster, Wien und die Türken“.

Vor 300 Jahren standen Heerscharen des „Osmanischen Reichs“ (heutige Türkei) als „Bedrohung der Christenheit“ vor den Toren Wiens. So sahen es wenigstens die mitteleuropäischen Herrscher, die im Geist der Kreuzzüge zur Verteidigungsschlacht und dann zum Eroberungskrieg bliesen. Die Ausstellung in Münster erinnert – als einzige in Deutschland – an das Jahr 1683, in dem auch münstersche Bäckerjungen an der Verteidigung Wiens mitgewirkt haben sollen.

In späteren Kriegen fochten Münstersche Söldner fürs „Abendland“. Das Jahr 1916 markiert einen weiteren Einschnitt: Damals … Weiterlesen

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„Der Hang zum Gesamtkunstwerk“ – weit mehr als eine Besessenheit

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Ein ehrgeiziges Projekt macht Station in der Landeshauptstadt: „Der Hang zum Gesamtkunstwerk“, bisher lediglich in Zürich und dann nur noch in Wien zu sehen, dokumentiert ab heute in der Düsseldorfer Kunsthalle eine „Besessenheit“ europäischer Künstler in den letzten 150 Jahren: „Aufs Ganze“ zu gehen, alles zugleich ausdrücken zu wollen, universelle Utopien zu entwerfen, sämtliche Kunstformen (Dichtung, Musik, Malerei, Theater, Film, Architektur usw.) zu verschmelzen und damit in alle Bereiche des Gemeinwesens hineinzuwirken.

Der Ausstellungsmacher Harald Szeemann faßt den ohnehin kaum definierbaren Begriff des Gesamtkunstwerks (Urheber: Richard Wagner) weit: Goethes humanistisches Bildungsideal zeugt danach ebenso vom Hang zur Totale wie etwa die Anfänge des „Bauhauses“ (bevor es zur Stil-„Schule“ wurde), JosephBeuys‘ Arbeiten ebenso wie die eines Philipp … Weiterlesen

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Mülheimer Dramatikerpreis an George Tabori für „Jubiläum“ – Jury und Publikum einmütig

Von Bernd Berke

Mülheim. Der Gewinner des Mülheimer Dramatikerpreises 1983 heißt George Tabori. Sein Wettbewerbsbeitrag „Jubiläum“ wurde bei „stücke 83″ sowohl von der achtköpfigen Jury als auch vom Publikum als bestes der vier gezeigten Stücke bewertet.

Daß Experten und „Normalverbraucher“ diesmal übereinstimmten, darf als kleine Sensation gelten. Die Entscheidung für das Stück des 69-jährigen Tabori kann kaum überraschen: Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus endlich einmal nicht mit rational vorgefertigten Rechthabe-Schablonen, sondern vor allem emotional zu führen – das fehlte bisher. „Jubiläum“ stellt eine wichtige, ja unverzichtbare Ergänzung zu Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ oder zu faktenverarbeitendem Theater wie Peter Weiss‘ Auschwitz-Stück „Die Ermittlung“ dar.

Tabori, dessen Familie in den Gaskammern von Auschwitz umkam, verfaßte eine „schwarze Totenmesse“: Auf … Weiterlesen

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Bilderreise durch die Sowjetunion

Von Bernd Berke

Dortmund. Die Auslandskulturtage der Stadt Dortmund mit der Sowjetunion sind ab heute auch im Ostwall-Museum präsent, und zwar gleich mit einer Doppelausstellung über sowjetische Landschaftsmalerei der letzten Jahre sowie mit sowjetischen Plakaten aus der Zeit zwischen 1918 und 1982.

103 Landschaftsbilder von 78 Künstlern sind in der ersten Abteilung zu sehen. Schnell wird dem Betrachter deutlich, daß es hier weniger um künstlerische Genietaten oder zukunftsweisende Gestaltungen geht. Man kann aber anhand der Bilder in der Phantasie eine „Reise durch die Sowjetunion“ nachvollziehen.

Ganz bewußt wurden Werke aus allen 15 Sowjetrepubliken zusammengestellt, die lediglich gemeinsam haben, daß sie Landschaften zeigen. Fast sämtliche Stilrichtungen der Malerei sind vertreten: Impressionistische Bilder hängen neben expressionistisehen, eher kunstgewerblich anmutende Idyllen neben Beispielen … Weiterlesen

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Sinkt das Interesse an großen Museen?

Von Bernd Berke

Münster. Die großen Museen, etwa in Köln, München und Berlin, verzeichnen sinkende Besucherzahlen, die kleinen und mittelgroßen Institute holen auf. Das sind die Trends, die sich in der (noch nicht abgeschlossenen) Statistik für 1982 deutlich abzeichnen.

Vertreter des Deutschen Museumbundes (DMB), dessen Jahrestagung gestern in Münster zu Ende ging, sprachen in diesem Zusammenhang von einem „Rückgang aufs normale Maß“ und nannten als mögliche Gründe für die Einbußen das Fehlen besonders spektakulärer Ausstellungen sowie die in der Rezession immer öfter geübte Praxis, dort Eintrittsgelder zu erheben, wo es bislang Museumskultur „zum Nulltarif“ gab. Auch sonst stand die Tagung zum großen Teil im unheilschwangeren Zeichen der Finanzmisere.

Dr. Christoph B. Rüger (46), Direktor des Rheinischen Landesmuseums Bonn und frischgebackener … Weiterlesen

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Makulatur für die Nazi-Flammen – In Dortmund verlief die Bücherverbrennung 1933 nicht reibungslos

Von Bernd Berke

Dortmund. In den Universitätsstädten hatte man die Sache am 10. Mai 1933 „erledigt“. Pg. (Parteigenosse) Woelbing sollte die Dinge in Dortmund vorantreiben. Seit März war Woelbing Leiter der örtlichen „Bibliotheks-Prüfungskommission“.

Mit Briefkopf der NSDAP-Gauleitung Bochum lud der Studienrat den Dortmunder Magistrat zu einem besonderen Schauspiel ein. Das Spektakel, so versicherte der Schreiber am 29. Mai 1933 ordnungshalber, werde „pünktlich um 21 Uhr“ beginnen. Am gleichen Tag erging in der Dortmunder „Tremonia“ eine an Lehrer und Erzieher gerichtete „dringende Aufforderung, dieser symbolischen Handlung beizuwohnen“.

Am Abend des 30. Mai war es soweit: Über 5000 Bücher, die überwiegend aus dem sozialdemokratischen Volkshaus in der Kampstraße stammten, wurden auf dem Dortmunder Hansaplatz verbrannt. Beteiligt: SA, SS, Hitlerjugend, BDM und NS-Lehrerbund … Weiterlesen

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Bilder als Keimzellen für Romane – Graphik-Kalender von Günter Grass in Aachen vorgestellt

Von Bernd Berke

Aachen. „Ich komme immer wieder gern in die Provinz“, freute sich Günter Grass. Dort wisse man Ereignisse wie Ausstellungseröffnungen nämlich noch zu schätzen.

Grass sprach in eigener Sache: Der in Berlin lebende Autor von „Blechtrommel“ und „Butt“ kam gestern nach Aachen, um im dortigen Georgi-Verlagshaus seine Radierungen aus den letzten drei Jahren vorzustellen (Theaterstraße 77, bis Juni, außerdem Farbholzschnitte von Andreas Feiger). Was nur wenige seiner Leser wissen: Grass ist vom Fach. Nach einer Steinmetzlehre in Düsseldorf hat er an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin studiert.

Verhältnismäßig spät wurde Grass als Schriftsteller bekannt. Dieses Metier kann er aber auch dann nicht verleugnen, wenn er graphisch arbeitet: „Mit Bildern kontrolliere ich das Geschriebene.“ Habe er eine … Weiterlesen

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„Circus Roncalli“: Zweite Reise zum Regenbogen – mit Phantasie und Puderzucker

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Der „Circus Roncalli“ besitzt offenbar das sensibelste Nashorn nördlich des Mittelmeers. Bevor das gewichtige Tier in die Manege stürmte, wurde das hochverehrte Publikum (darunter NRW-Kultusminister Jürgen Girgensohn) dringlich gebeten, keine schrillen Laute zu erzeugen, sonst könne man für die Duldsamkeit des Dickhäuters nicht mehr garantieren. So blieb es also mäuschenstill – und der Koloß ließ es friedlich über sich ergehen, daß ein Tiger auf ihm ritt.

Der nicht als Sensations- und Leistungsschau, sondern eher durch seine phantastische Kombination von Spitzenartistik und märchenhafter Prachtentfaltung bekanntgewordene Zirkus bot im Umfeld der Ruhrfestspiel-Eröffnung eine „Weltpremiere“. Das Zelt am Recklinghäuser Konrad-Adenauer-Platz war denn auch am Sonntagabend bis auf den letzten Platz gefüllt; daran dürfte sich bis zum 15. Mai, nach … Weiterlesen

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