Kultur mit Kick: Martin Suter legt Roman über „Schweinis“ Leben vor

Miteinander einverstanden: Martin Suter (li.) und Bastian Schweinsteiger (Foto: © Marco Grob)

Der in Zürich beheimatete Diogenes-Verlag zählt zu den renommiertesten in deutschsprachigen Landen. Nun aber diese Diogenes-Pressekonferenz in Berlin. Auch und gerade Journalist*innen von Bild, RTL und Radio Schlagerparadies stellen ihre Fragen. Nicht gerade die kultursinnigsten Medien. Was ist denn da los?

Martin Suter, Schweizer Schriftsteller von einigen Graden und Gnaden, hat ein Buch über den weltmeisterlichen Fußballer Bastian Schweinsteiger geschrieben. Da wittert halt auch der Boulevard womöglich knackige „Geschichten“. Ein „Bild“-Mann – schon spürbar gierig auf die Schlagzeile – will gar Näheres zu einer Roman-Sequenz wissen, in der sein Blatt vorkommt. Derlei Begehrlichkeiten mag Martin Suter denn doch nicht bedienen.

Warum hat sich Suter das überhaupt angetan? Sind ihm etwa die fiktionalen Themen ausgegangen? Wohl kaum. Er stellt es so dar: Ein Schriftsteller solle jede Art des Schreibens einmal ausprobiert haben. Also auch einen von der Hauptperson freudig abgenickten und autorisierten biographischen Roman, der sich nach Suters Bekunden eng an der Wirklichkeit orientiert. Nicht das „Was“ habe er erfunden, allenfalls das „Wie“. Und so habe er sich denn präzisionshalber etliche Spielszenen mit „Basti“ Schweinsteiger angesehen, um auch ja im Roman z. B. den Passgeber zum Soundso-Tor korrekt zu benennen oder um nicht einen Volleyschuss mit einem Dropkick zu verwechseln. Damit ihm bloß keine Beschwerden von Fußballfans kommen! Übrigens habe das Buch weitaus mehr Arbeit bereitet als anfangs angenommen. Zweimal musste der Erscheinungstermin verschoben werden. Jetzt ist es am 26. Januar so weit. Die turmhohen Buchstapel dürften dann kaum zu übersehen sein.

„Unmöglich“? Gibt’s nicht!

Wie kam es überhaupt zu diesem Romanprojekt, das offenbar als eine vorwiegend heitere „Heldensage“ gelten darf? Verlag und Autor verbreiten unermüdlich diese Version: Schweinsteiger (heute 37 Jahre alt) habe es lange Zeit abgelehnt, Gegenstand einer Lebensbeschreibung zu werden – bis eines Tages ein guter Freund (den er nicht nennen möchte) meinte, dass eine literarische Biographie doch etwas anderes wäre. Er sagte auch gleich, dass Martin Suter ein idealer Schriftsteller für eine solche Aufgabe wäre. Freilich setzte er hinzu: „Unmöglich, das macht der nicht.“ Darauf Schweinsteiger mit seinem sonnigen Gemüt: „Was ist das, unmöglich?“ Sprach’s, lachte optimistisch und leitete eine entsprechende Anfrage ein. Martin Suter erinnert sich, er habe nur eine Stunde überlegen müssen und sei angetan gewesen. Bastian Schweinsteiger sei einer, der sich nicht für etwas Besonderes halte; ein „Jetzt-Mensch“ und „Moment-Mensch“. Ein erstes Treffen auf dem Zürcher Flughafen habe ihn vollends überzeugt. Man sei einander gleich sympathisch gewesen, habe sich nach ein paar Minuten geduzt und viel gelacht. Ja, man habe einander – es war zu Beginn der Corona-Pandemie – tatsächlich die Hände geschüttelt.

Es beginnt mit einem kuriosen Eigentor

Es folgten viele weitere Gespräche und Nachfragen, vor allem per Videokonferenz. Auch lange Gespräche mit Schweinsteigers Vater gehörten zum Recherche-Pensum. Kindheit und Jugend spielen folglich eine gehörige Rolle in dem Roman, der mit einem kuriosen Eigentor des jungen „Basti“ beginnt. Gleich der erste Entwurf, seinerzeit rund 340 Seiten lang, habe ihm bestens gefallen, sagt Bastian Schweinsteiger. Als „Geschenk für mich“ betrachte er das Buch heute. Und überhaupt: Das Leben und die Freude daran seien ihm stets wichtiger gewesen als der bloße Fußball. Dennoch erfährt man aus dem Buch beispielsweise auch, welche Trainer „Basti“ im Laufe der Karriere weniger gut gefallen haben. Positiv hebt er indes Hitzfeld und Heynckes hervor.

Den Heiratsantrag exklusiv geschildert

Auf der (übrigens vom TV-Kommentator a. D. Marcel Reif moderierten) Pressekonferenz tauschte man heute gar viele Nettigkeiten aus – vor allem, als auch noch Schweinsteigers Frau Ana Ivanovic, die aus Serbien stammende Tennisspielerin und einstige Nummer Eins der Damen-Weltrangliste, aufs Podium gebeten wurde. Da kamen dann auch solche Fragen wie die, was Schweinsteiger von ihr über die Liebe gelernt habe. Hach ja. Wie rührend. Die beiden sind ja auch ein sympathisches Paar. Apropos: Martin Suter ist ein wenig stolz darauf, dass er „Bastis“ originellen Heiratsantrag exklusiv in den Roman einbauen durfte. Sonst gebe es jedoch keine „Enthüllungen“.

Dass allerdings der Buchtitel, um ihn endlich zu nennen, „Einer von euch“ lautet, mutet denn doch etwas merkwürdig an. Mag auch „Basti“, wie der Roman unentwegt nahelegt, ganz normal aufgewachsen sein und die Bodenhaftung nicht verloren haben, so sind er und seine Gattin doch als Multimillionäre in andere Sphären entrückt. Zu hoffen wäre, dass Suter nicht den Mythos befördern möchte, jede(r) von uns könne einen solchen Weg beschreiten. Aber wenn etwa Kinder daraus (gerade in diesen Zeiten) Zuversicht schöpfen, ist es natürlich in Ordnung.

Millionenschweres „Bestseller-Marketing“

Bastian Schweinsteiger, der früher einmal gesagt hat, er lese lieber tausend Spiele als ein Buch und dem die auch Suter-Lektüre über sich selbst („So viele Seiten am Stück“) erklärtermaßen schwergefallen ist, möchte künftig deutlich öfter zur gepflegten Lektüre greifen. Seine Frau sei eine begeisterte Leserin und man habe daheim viele Bücher im Regal. Seinerseits möchte er z. B. den einstigen Bayern- und National-Mitspielern Thomas Müller und Oliver Kahn Exemplare des Suter-Romans zueignen.

Freimütig gebe ich zu, den Roman über „Schweini“ nicht zur Gänze gelesen, sondern nur einige Passagen via pdf-Download überflogen zu haben. Viel mehr Bedarf habe ich auch nicht. Die Seiten lasen sich recht leicht, aber nicht seicht und mögen – wie es zwischendurch aus Schweinsteigers Sicht hieß – durchaus als „Mutmacher“ mit gelegentlichem Tiefgang taugen. Nicht unbedingt das Kerngeschäft eines traditionsreichen, literarisch ausgesprochen ambitionierten Verlages. Aber bitteschön. Vielleicht können sie von den Einnahmen ja ein paar hoffnungsvolle Debütanten fördern.

Diogenes stößt mit diesem Roman in bislang ungekannte Dimensionen vor. Man lasse sich die folgenden Stichworte zum „Bestseller-Marketing“ auf der Zunge zergehen. Wir zitieren auszugsweise:

„Infoscreens und Citylights 5,7 Mio. Kontakte
instagram.com/bastianschweinsteiger 10,5 Mio. Follower
facebook.com/bastianschweinsteiger 8,6 Mio. Fans
Große Online-Kampagne…“

Seid umschlungen, Millionen!

Martin Suter: „Einer von euch. Bastian Schweinsteiger“. Roman. Diogenes-Verlag. 384 Seiten, 22 Euro.

 

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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8 Antworten zu Kultur mit Kick: Martin Suter legt Roman über „Schweinis“ Leben vor

  1. Bernd Berke sagt:

    Dann lesen Sie doch fast 400 Seiten zu diesem Thema und schreiben Sie „wirklich unterhaltsam“ drauflos, wenn Sie Ihre Lebenszeit vergeuden wollen.

    Es handelt sich ja beim Beitrag ganz ersichtlich um Eindrücke von einer (Online)-Pressekonferenz – und keineswegs um eine Rezension.

    So. Und damit Schluss mit diesem unergiebigen Scharmützel. Bis demnächst unter neuem Namen und mit anderer Anmaßung.

  2. Jean Paul sagt:

    @ Bernd Berke

    Bernd Berke: „Ich werde übrigens den Teufel tun und nach Zoom-Teilnahme an der PK und – wie ausdrücklich zugegeben – bloßer Teillektüre des Buches (mehr möchte ich mir nicht zumuten) eine veritable „Rezension“ zu verfassen; erst recht nicht eine derart dezidierte, wie Sie es sich offenbar zutrauen.“

    So unentschlossen liest sich es sich dann auch …

    Ich würde darauf wetten, dass man einen wirklich unterhaltsamen Verriss zu „Einer von Euch“ schreiben könnte – Rekord: Eigentor-Hattrick von Martin Suter in nur einem Buch …

  3. Bernd Berke sagt:

    Lustig, dass gerade Sie mit Namensgebungen (nicknames) hadern, wo sie hier doch öfter mal unter immer neuen Pseudonymen kommentieren.
    Ich werde übrigens den Teufel tun und nach Zoom-Teilnahme an der PK und – wie ausdrücklich zugegeben – bloßer Teillektüre des Buches (mehr möchte ich mir nicht zumuten) eine veritable „Rezension“ zu verfassen; erst recht nicht eine derart dezidierte, wie Sie es sich offenbar zutrauen.

  4. Jean Paul sagt:

    @ Bernd Berke

    Bei mir heißt der Fußball-Promi „Bastian Schweinsteiger“: die Bezeichnung „Schweini“ fand ich schon immer „unter aller Sau“. Das Oxymoron „Hochkultur-Schweini“ ist davon noch mal eine „Steigerung“, die ganz sicher „in die Tonne“ gehört. Und wo finden wir den „Hochkultur-Schweini“ ? Bei Suter … bzw. in seinem Buch: ins Regal stelle ich mir sowas sicher nicht.

    Bernd Berke: „Auch weiß ich nicht, ob man eigens eine griffige Bezeichnung – noch dazu angloamerikanischer Provenienz – braucht, um das Phänomen zu erfassen.“

    Fände ich gut.

    Wirklich glücklich scheinen Sie mit Suters Buch ja nicht zu sein. Die Kritik bleibt aber eher unentschlossen. „…“-ploitation würde es eindeutig machen. Ich sehe gerade, dass es „Bruceploitation“ gibt … o.k., die naheliegendste Lösung wäre also:

    „Schweiniploitation“ – klingt schlimm, aber ist es ja auch …

  5. Bernd Berke sagt:

    Gewisse Vorfälle und Erscheinungen des Kultur- und/oder Medienbetriebs gehören meinetwegen „in die Tonne“, Sie haben es aber auf der persönlichen Ebene formuliert: „Hochkultur-Schweini gehört einfach nur in die Tonne, zusammen mit Suter…“ Da gehe ich nicht mit.
    Auch weiß ich nicht, ob man eigens eine griffige Bezeichnung – noch dazu angloamerikanischer Provenienz – braucht, um das Phänomen zu erfassen.

  6. Jean Paul sagt:

    @ Bernd Berke

    „exploitation“ bedeutet „Ausbeutung“, am populärsten ist „Sexploitation“ (falls wider Erwarten nicht bekannt, siehe den link).

    Jetzt wird in der Kombination „Fußball“ / „Promi“ / „Kulturfuzzi“ ein neues Kapitel der „Exploitation“ eröffnet: Haben Sie dafür einen griffigen Ausdruck?

    Einen Ausdruck, mit dem man Suter an der Krawatte (i.e.“am Trikot“) zerren kann?

    Und das Feuilleton macht mit der BILD gemeinsame Sache, gemeinsamen Profit:
    wo gehört das Ihrer Ansicht nach hin?

    Für mich gehört das „in die Tonne“, wer soll das brauchen?

    (als Fußball-Experte beim Pokal-Spiel St. Pauli gegen den BVB war Schweinsteiger schon „der lebende Allgemeinplatz“ – mehr davon? bitte nicht!)

  7. Bernd Berke sagt:

    Der Zusammenhang mag sich mir nicht so recht erschließen. Außerdem gehört hier niemand „in die Tonne“.

  8. Jean Paul sagt:

    „exploitation“ gab’s schon in den verschiedensten Varianten: https://en.wikipedia.org/wiki/Exploitation_film

    aber Hochkultur-Schweini gehört einfach nur in die Tonne, zusammen mit Suter, natürlich

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