Von Bernd Berke
Während Stefan sich an Erlebnisse mit diversen Frauen erinnert, keimen schon seine Todesgedanken. Wir erfahren: Dieser Mann spielt sein Leben nur noch mit Minimal-Einsatz, einschließlich des erotischen Geplänkels und seines Berufs.
Ein No-future-Typ, der seine große Liebe verloren hat und nun hochmütig auf alle herabsieht, weil er glaubt, sämtliche „Windeln der Illusionen“ über das Leben abgelegt zu haben. Es bleibt kaum mehr als das nackte Sein. Folgerichtig, daß Stefan bei einem Bett-ErIebnis eine Herzattacke erleidet. Nun ist er auch physisch dem Tode nah.
Fortan geht es hauptsächlich um Verzweiflung, Tod und Teufel; eine mitunter etwas langatmige Litanei der Leere hebt an: „Jeder aufrichtige Versuch einer Beziehung bringt diese zum Scheitern“, heißt es da etwa. Und das ist erst der Einstieg in die Düsternis. Besonders in Diskussionen mit einer Kommunistin glänzt und prunkt Stefan geradezu mit Hoffnungslosigkeit. Natur, Liebe, Revolution und der ganze Weltenplunder – nichts besteht vor“ ihm. Ein tödlicher Unfall und ein Selbstmord in seiner Umgebung treiben ihn dann vollends in gottsucherische Finsternis. Am Ende dämmert ihm doch noch die bittere Lebens-Notwendigkeit von Illusionen…
Furiose Passagen des (1954 in Holland, erst jetzt bei uns erschienenen) Romans wechseln mit Textstrecken von enger Zeit-Gebundenheit. Dichtauf folgt die Handlung manchmal den seinerzeit gängigen Gedanken des Existentialismus. Das philosophische Raster scheint hier und da durch wie ein Skelett.
Dennoch ist dem Arche-Verlag zu danken. Warum? Weil der Roman von Anna Blaman (1905-1960) in seiner Zeitgebundenheit eben auch ein inniges Dokument seiner Zeit ist. Und weil wir hier endlich eine Autorin entdecken dürfen, die – vor allem in erotisch getönten Passagen – enorme Stärken hat und in den Niederlanden längst dem Olymp der klassischen Moderne angehört. Ein schlechter Witz, daß wir sonst so wenig von der Literatur des Nachbarlandes übersetzt bekommen. An Sprachproblemen kann es kaum liegen. Sollte es etwa Überheblichkeit sein?
Anna Blaman: „Auf Leben und Tod“. Roman. Arche-Verlag, Zürich. 352 S. (Nachwort von Carel ter Haar). 36 DM.