Frühling für Hitler: Musical „The Producers“ nach Mel Brooks als rasanter Spaß in Hagen

Einmal eine große Nummer im Showbiz sein: Davon träumt der Buchhalter Leo Bloom (Alexander von Hugo) im Musical „The Producers“ nach einem Film von Mel Brooks. (Foto: Björn Hickmann)

Achtung, bitte anschnallen, fasten seat belts. Hier geht die Post ab, hier geht’s um Geld und Glamour und die Grenzen des guten Geschmacks. Das Theater Hagen startet mit dem Musical „The Producers“ durch, als wolle es einen Rekord für das schnellste Bühnenspektakel der kommenden fünf Spielzeiten aufstellen. Diesen überdrehten Spaß wird so schnell niemand überholen.

„Frühling für Hitler“ war der deutsche Titel der Vorlage, eine Filmkomödie von Mel Brooks aus dem Jahr 1968. Das Musical erzählt die Geschichte vom Broadway-Produzenten Max Bialystock , den der Erfolg verlassen hat. Sein Buchhalter Leo Bloom bringt ihn auf eine Idee, wie er durch Betrug wieder zu Geld kommen kann. Gemeinsam wollen sie das schlechteste Musical aller Zeiten auf die Bühne bringen, um danach mit den Investorengeldern nach Rio de Janeiro durchzubrennen.

Vom Glück verlassen: Max Bialystock (Ansgar Schäfer), ehemals König des Broadway, hat keinen Erfolg mehr. (Foto: Björn Hickmann)

Das passende Stück dafür kommt von dem Alt-Nazi Franz Liebkind, der nicht ahnt, dass sein geliebter Führer auf der Bühne zur Witzfigur wird. Aber auch die Produzenten dieser gezielten Geschmacklosigkeit werden überrascht. Denn der vermeintlich sichere Flop wird für Satire gehalten und löst Begeisterungsstürme aus.

Max Bialystock (Ansgar Schäfer, l.) und Leo Bloom (Alexander von Hugo) wollen sich mit Investorengeldern vom Acker machen. (Foto: Björn Hickmann)

Regisseur Thomas Weber-Schallauer inszeniert das als Achterbahnfahrt, bei der man kaum zu Atem kommt. Das temporeiche Spiel, das Timing der schlagfertigen Dialoge, die beinahe comichafte Zeichnung der Figuren und die vor nichts Halt machende Persiflage sind köstlich ungeniert und von hoher handwerklicher Perfektion. Die Veralberung des Dritten Reichs kitzelt das Zwerchfell zu hysterischem Lachen. Der Alt-Nazi Franz Liebkind mit seinem verschissenen Taubenschlag voll national gestimmter Vögel ist einfach unerträglich gut (Richard van Gemert quatscht sich im breiten Bayerisch um Kopf und Kragen).

Alle Abteilungen des Hauses unterstützen die Regie wie geschmiert. Ein Rädchen greift da ins andere: die schwungvolle und charmante Choreographie von Riccardo De Nigris, die das Jahr 1959 zitierenden Kostüme von Yvonne Forster, die Beleuchtung von Hans-Joachim Köster, die den Glamour des Showbiz ebenso sichtbar macht wie den grauen Alltag. Fantastisch gut gelingen die Szenenwechsel, die so fließend zwischen Traum und Wirklichkeit changieren, dass man sich manches Mal die Augen reibt.

Chor, Ballett und Ensemble hätten für ihren Einsatz glatt eine Verdoppelung der Gage verdient. Ansgar Schäfer (Max Bialystock) und Alexander von Hugo (Leo Bloom) werfen sich ins Getümmel, dass die Verletzungsgefahr nicht fern scheint. Schäfer gibt den Broadway-König als alternden, aber machtbewussten Macho. Alexander von Hugo hängt sich bei ihm ein: ein Hänfling der endlich auch einmal groß rauskommen möchte.

Die schöne Ulla (Emma Kate Nelson) will unbedingt die Hauptrolle spielen. (Foto: Björn Hickmann)

Die schwule Entourage des Regisseurs setzt herrlich arrogante Kontrapunkte (Florian Soyka als Roger de Bris und Matthias Knaab als Carmen Ghia). Und dann ist da noch die blonde Schwedin Ulla, die auf die Hauptrolle scharf ist. An dem Pseudo-Schwedisch, mit dem Emma Kate Nelson sich durch den Abend radebrecht, würde mancher sich gewiss die Zunge verstauchen. Das Philharmonische Orchester Hagen stimmt unter der Leitung von Steffen Müller-Gabriel großstädtischen Big-Band-Sound an und setzt mit Zitaten von Richard Wagner und Anklängen an die Nationalhymne satirische Akzente.

Am Ende strebt niemand vorzeitig zur Garderobe. Alle stehen, jubeln, feiern die Produktion mit Klatschmärschen. Die fiktiven Kritiken, die Max Bialystock mit wachsender Verzweiflung vorliest, treffen letztlich ins Schwarze: „Es war hanebüchen, es war anstößig, es war beleidigend, und wir haben jede Minute genossen“.

(Der Text ist zuerst im Westfälischen Anzeiger erschienen. Informationen unter www.theaterhagen.de, Karten: Tel 02331/207-3218.)

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