Er war ein Essener Alien in München: Otto Rehhagel wird heute 75 Jahre alt

Ich hatte ja schon mal begründet, warum ich Fußball und alles, was mit ihm zusammenhängt für ein hohes Kulturgut halte, namentlich bei uns, im Revier. Heute (9. August 2013) um 20.30 Uhr geht nun die Saison wieder los und ich hoffe mit vielen meiner Freunde darauf, dass dieser 1. Saisonspieltag startgünstigst für den Ballspielverein Borussia Dortmund verläuft.

Bei dieser Gelegenheit geht mir auf, dass jemand seinen 75. Geburtstag genau heute feiert, der mich bis heute nicht davon überzeugen konnte, völlig unschuldig an der schwärzesten Niederlage aller Zeiten meiner Borussia gewesen zu sein: 29. April 1978, Rheinstadion Düsseldorf, 0:12 kleine Borussia gegen die große. Höchste Niederlage aller Zeiten des BVB, höchster Sieg aller Bundesligazeiten – entsetzlich. Nie wieder tauchte danach der Name Peter Endrulat einigermaßen gewichtig im deutschen Fußball auf. 12 mal die Kiste gefüllt, das blieb von ihm als Keeper beim BVB in Erinnerung. Ein Siegerländer, der mal hinter Norbert Nigbur bei dessen Verein spielte, na ja.

Otto Rehhagel, aufgenommen am 26. März 2008. (Bild: Antonis Kyrou / via photopin/flickr)

Otto Rehhagel, aufgenommen am 26. März 2008. (Bild: Antonis Kyrou / via photopin/flickr)

Ach so, und der Trainer beim BVB hieß damals Otto Rehhagel, bei vielen von uns bis heute Otto „Torhagel“, und der hat heute Geburtstag. So, nun weiß jede Leserin, die immer auf Ballhöhe ist, jeder Leser, der die jeweils aktuelle Abseitsregel erklären kann, warum ich bis ans Ende unser beider Tage dem Otto nie verzeihen kann, dass er ausgerechnet bei meinem erklärten Lieblingsverein an diesem Tag alles falsch gemacht hat, was ein Trainer nur falsch machen kann.

Und dennoch – selbst ich muss einsehen, dass es sich bei diesem Maler und Anstreicher, dessen Blutgrätschen als Aktiver beim TuS Helene Essen, bei Rot-Weiß Essen, bei Hertha BSC Berlin und beim FC Kaiserslautern gefürchtet waren und der nur eines mehr liebte als den gepflegten Fußball: den erfolgreichen Fußball (für den er auch gern mal auf den gepflegten verzichtete), dass er ein ganz Großen ist. Ob als Spieler oder als Trainer. Dabei hätte er fast noch mit „Boss“ Helmut Rahn zusammen gespielt, doch der hatte 1960 RWE bereits in Richtung Köln verlassen. Und Pelé, der Mega-Künstler, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht Ehrenmitglied bei den Essenern.

Bei Werder Bremen ging der Star Otto Rehhagel dann auf, nachdem er das damalige Dortmund versenkt hatte und vom FC Rockenhausen (ist in Rheinland-Pfalz) über Kaiserlautern, Bielefeld, Düsseldorf wieder bei SV Werder gelandet war. Da eilte er von Erfolg zu Erfolg, behielt fast immer Recht, wenn er Spieler wie beispielsweise Manni Burgsmüller holte, gewann ein Selbstbewusstsein, dass er bisweilen anscheinend den obersten Hemdkragenknopf nicht mehr zu bekam, nannte Jürgen Flimm seinen Freund und ließ der anrainenden Journaille das Gefühl, ihre Experten seien so überflüssig wie ein zweiter Ball während des Spiels.

Irgendwann stach ihn der Hafer derartig, dass er glaubte, seine spezielle Handhabung der ihn umgebenden Menschen auch in München bei den Bayern anwenden zu können. Doch das dortige Präsidium war nicht das von Werder, der dortige Manager war um einiges ausgebuffter als Willi Lemke, die dortige Journaille war weniger einfach einzuschüchtern und die Mannschaft weniger einsichtig, als die in Bremen. Der Fall war tief, verletzend und eilig, Uli Hoeneß war zum Abschied zwischen unverschämt und rotzbengelfrech, Otto ziemlich beleidigt und daher sann er auf Rache, nahm den Trainerjob bei Kaiserslautern an, sorgte dafür, dass die flott wieder aufstiegen und haute als Aufsteiger die Bayern weg, wurde Meister – Demütigung Richtung München.

Später dann – auf typische Otto-Manier – wurde er Nationaltrainer, zwar nicht in Deutschland, dafür bei den Hellenen und führte die stolzen Nachfahren des Perikles zur Europameisterschaft. Getreu seinem Motto, dass nur erfolgreicher Fußball besser ist als der schöne. König Otto war auf dem Thron, von dem ihn niemand stoßen konnte, kein Kaiser Franz, kein Diktator Uli und kein nöhlender Pressemensch. Otto Rehagel sorgte eben da für seine größten Erfolge, wo fast keiner mit ihnen rechnete. Und da, wo wir populistisch behaupten würden, dass mit solchen Mannschaften jeder gewinnen könne, fiel er auf die gern mal zu hoch getragene Nase.

Okay, bald geht es los, ich wünsche dem erfolgreichen Otto noch ein paar schöne Geburtstagsstunden, jede Menge Spaß während des Spieltages – und heute würde es mich richtig freuen, wenn der knorrige Essener sich beim ersten Saisonspiel vor Schadenfreude die Oberschenkel blau klopft, weil der FC Bayern, wo er düstere Trainerstunden verlebte, mit null Punkten in die Bundesliga-Spielzeit startet.

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photo credit: tonikyrinfo via photopin cc

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1 Antwort zu Er war ein Essener Alien in München: Otto Rehhagel wird heute 75 Jahre alt

  1. Werner Häußner sagt:

    Wirklich schön, diese Würdigung!

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