„Hart auf hart“: T.C. Boyle mit seinem neuen Roman auf der lit.COLOGNE

Boyle_24737_MR.inddSchön, wenn die Literatur so große Säle füllt: Bis auf den letzten Platz ist der Musical Dome, die Interimsspielstätte der Kölner Oper, besetzt. Anlass ist die Lesung von T.C. Boyle, der seinen neuesten Roman auf der lit.COLOGNE vorstellt. „Hart auf hart“ ist bemerkenswerterweise zuerst auf Deutsch erschienen, die US-Amerikaner müssen noch bis Ende März warten, obwohl es um ein ur-amerikanisches Thema geht: um Waffenwahn und absoluten Freiheitsanspruch, den die Protagonisten besonders gegenüber ihrem Staat bis zum Letzten verteidigen.

T.C. Boyle, gewandet in T-Shirt, Jeans und rote Turnschuhe, hat sichtlich Spaß an der Bühnenperformance, „mein Rock-Star-Gen“ wie er es nennt. Literaturkritiker Denis Scheck, auch nicht auf den Mund gefallen, kann kaum seine Fragen zu Ende stellen, da quatscht Boyle schon los und erzählt aufgeräumt über seinen Tagesablauf als Schriftsteller, seine Liebe zur Natur, seine politischen Überzeugungen, seine Drogen-Vergangenheit und seine Schrotflinte und woher er die einst hatte. Doch die Wildheit seiner Jugend sei durch das Schreiben in produktive Bahnen gelenkt und er zum Erfolgsautor geworden: „Mein Glück“, wie er das nennt.

Und doch kann er sich so umso besser einfühlen in diese Seite der amerikanischen Seele, die er als antiautoritär, extrem selbstbestimmt, aber auch zornig auf die Welt und jedwede soziale Ordnung beschreibt – und dabei wird manchmal die Grenze zur Gewalt überschritten. Denn genau darum geht es in seinem neuen Roman: Der Vater Vietnam-Veteran, der Sohn Adam drogensüchtig, psychisch krank, waffenverrückt, hat sich in die Wälder zurückgezogen und pflegt dort ein Schlafmohnfeld. Seine Freundin Sara gerät mit der Polizei aneinander, weil sie sich weigert, sich im Auto anzuschnallen. Denn das empfindet sie als unrechtmäßige Einmischung des Staates in ihre Freiheit.

Gelesen wird natürlich auch, die englische Version von Boyle selbst, die deutsche von August Diehl, der am Vorabend noch als Hamlet auf der Bühne des Burgtheaters stand und kurzfristig nach Köln reiste, um für seinen verhinderten Kollegen Yorck Dippe einzuspringen.

Der Text zieht einen sogleich in Bann und es ist wirklich bewundernswert, wie dieser Mann sein Handwerk versteht: Spannend, dramaturgisch perfekt gebaut und psychologisch abgründig beschreibt Boyle in der Anfangsszene eine Touristen-Bustour, die Vater Sten in Costa Rica unternimmt. Die Reisegruppe wird am Rande des Dschungels von drei Männern überfallen und Sten merkt schnell: „Das sind eigentlich Bürschchen und sie können gar nicht mit der Waffe umgehen.“ Die anderen Rentner geben bereits verängstigt ihre Habseligkeiten ab, doch in Sten steigt die Wut hoch. Er nimmt den einen Räuber kurzerhand in den Schwitzkasten und drückt ihm die Luft ab. Leider etwas zu lange, der Junge erstickt. „So what?“, meint Sten. Er ist ein Mann und hat sich selbst verteidigt, das ist wohl sein gutes Recht im Dschungel. Oder will jemand was dagegen sagen?

Autor umringt von Fans Foto: E. Schmidt

Autor umringt von Fans
Foto: E. Schmidt

Die Schlange zum Signieren ist irre lang, T.C. Boyle unterhält sich gerne mit seinen Lesern, ein bisschen Deutsch spricht er auch. Alle wollen dann ein Selfie mit Autor, da hat ein Hippie nix gegen und grinst freundlich in die Handy-Kameras. Ich habe mir das Buch natürlich sofort gekauft und bin mit T.C. Boyle-Autogramm fröhlich in die rheinische Nacht gezogen…

T.C. Boyle: „Hart auf hart“. Roman, Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Dirk van Gunsteren. Hanser Verlag. 400 Seiten, 22,90 Euro.

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