Luftige Bilder zum Durchatmen – Werke von Max Liebermann in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Pomp und Pathos der Gründerzeit waren ihm wesensfremd. Max Liebermann (1847-1935) stammte aus großbürgerlichem Hause. Von früh auf an gediegenen Reichtum gewohnt, hatte er das Imponiergehabe von nationalistischen Emporkömmlingen eben nicht nötig. Doch den Künstler bewegte das Leben jener Menschen, die mit harter Arbeit ihr kärgliches Dasein fristeten.

Im stilistischen Gefolge der niederländischen Genremalerei (die sich freilich oft in derben Zechgelagen und erotischem Handgemenge genügte), malte Liebermann Bauern, Knechte, Mägde, Korbflechter, Gänserupferinnen, Näherinnen oder Waisenkinder – und zwar keineswegs „von oben herab“.

Keine Sozialkritik, aber auch keine falsche Idylle

Diese zumeist erdfarben dunklen Bilder lassen den einfachen Leuten ihre Würde. Von barscher Sozialkritik sind sie eben so weit entfernt wie von verlogener Idylle. Statt dessen: Realistisch feststellen, was ist! Doch diese Sichtweise reichte schon, um ihn im Kaiserreich als „Apostel der Hässlichkeit“ mit vermeintlich „anarchistischen“ Neigungen zu brandmarken. Jedweder Naturalismus galt als suspekt. Dahinter verbarg sich wohl die Angst vor der schlichten Wahrheit.

Wuppertals Von der Heydt-Museum präsentiert jetzt einen Werk-Überblick mit 120 Liebermann-Arbeiten, darunter etwa 90 Gemälde. „Poesie des einfachen Lebens“ lautet der Titel, der ein Zitat des Künstlers aufgreift. Der französische Impressionismus (vor allem Manet) setzt sich mit den Jahren als prägender Einfluss durch. Liebermanns Palette hellt sich deutlich auf, der Pinselstrich wird freier und freier, bis hin zu pastos verteilten „Farb-Pfützen“.

Das Leben am Strand, im Biergarten, beim Pferdesport

Die arbeitenden Menschen rücken allerdings in den Hintergrund. Jetzt ergeht sich eine damalige, gewiss halbwegs betuchte Freizeitgesellschaft an Stränden (Noordwijk, Scheveningen), in Biergärten (München, Leiden) oder beim gehobenen Pferdesport. Herrlich luftig wirkt etwa das Bild „Polospieler“. Geht man näher heran, so sieht man, dass die durch rasche Bewegung nahezu verwischten Reittiere aus ingeniös dahingetupften Farbflecken bestehen.

Auf stille Art bezwingend auch die stets zurückhaltenden, äußerst subtil charakterisierenden (Selbst)-Porträts. Albert Einstein, Thomas Mann und Ferdinand Sauerbruch haben ihm Modell gesessen. Liebermann mied dabei jegliches optische Auftrumpfen; erst recht bei den späteren, eine abgeschirmte Ruhe beschwörenden Rückzugs-Idyllen aus dem Garten seiner herrschaftlichen Villa am Berliner Wannsee. Bilder zum Durchatmen!

Legendär sein Ausruf, als die Nazis 1933 die Macht an sich rissen und der fassungslose Liebermann die Fackelzüge sah: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte!“ Die NS-Herren verfemten den Maler des liberalen Großbürgertums wegen seiner jüdischen Herkunft als „entartet“. Verbittert ist Max Liebermann gestorben.

Von der Heydt-Museum, Wuppertal (Turmhof 8). So., 14. März bis 23. Mai. Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr. Katalog 34,80 Euro.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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