Der Zeitgeist als Bermuda-Dreieck – Bottroper „Quadrat“ zeigt Bilder des US-Künstlers Kimber Smith

Von Bernd Berke

Bottrop. So sind die Mensehen und die Künstler: Der eine will umsichtig sein Leben planen, der andere überlässt sich dem Getümmel.

Bezogen auf die Malerei: Manche brauchen das Gerüst einer Komposition. Andere verlieren sich gleich im Spiel der Formen und Farben. So wie Kimber Smith (1922-1981), der letzt mit einer Werkauswahl der Jahre 1956 bis 1980 im Bottroper „Quadrat“-Museum vorgestellt wird. Seit 1962 der Düsseldorfer Kunstverein Smith präsentierte, hat sich in Deutschland kein Haus mehr um ihn gekümmert. In der Schweiz fand dieser Maler stets mehr Beachtung. Die Bottroper Schau ist denn auch eine Übernahme aus Winterthur.

Amerikaner mit europäischen Vorlieben

Als US-Weltkriegssoldat geriet Smith erstmals nach Frankreich. Irgendwann entwickelte er ein Faible für europäische Kunst der klassischen Moderne. Besonders Henri Matisse und Pierre Bonnard hatten es ihm angetan. Hingegen missfiel ihm, dass sich in den USA eine junge Künstlergeneration (um Mark Rothko, Barnett Newman und Jackson Pollock) bewusst von europäischer Überlieferung lossagte und sich als „rein amerikanisch“ gerierte.

Seiner Leidenschaft folgend, zog Smith 1954 nach Paris. Doch das Zeitklima wollte es, dass auf dem alten Kontinent just die gestisch-abstrakte Richtung in der Malerei (Informel, Tachismus) triumphierte, während er nach geometrischen Formen strebte. Rhomben, Quadrate, klare Farben. So schwebte es ihm damals vor.

Als Smith 1966 in die USA zurückkehrte, nahm auch dort kaum jemand Notiz von ihm. Es herrschten abermals neue Kunst-Moden, die Pop-Art war übermächtig. Zuweilen gleicht der Zeitgeist einem Bermuda-Dreieck, in dem Künstler unversehens verschwinden. Bottrops Museums-Chef Heinz Liesbrock bringt es auf die Formel: „Zerrieben zwischen Frankreich und Amerika“ sei Smith gewesen. Klingt bündig und deutet fast auf heutige Polit-Konflikte voraus.

Kein unterkühlter „Mathematiker“

Geometrischer Neigung zum Trotz: Smith ist eben keiner dieser unterkühlten „Mathematiker“ der Kunst. Sogar Quadrate werden bei ihm zu Spielelementen. Mit willkürlicher Lust setzt er die zuweilen zittrig verschwimmenden Formen hin, ohne vorab ersonnene Konstruktions-Stützen. Das Bild entwickelt sich, strömend oder stockend, aus sich selbst heraus, es fügt sich erst während des Malvorgangs. Ein schwierige, allzeit labile Balance.

Seelische Stimmungen scheinen hier unverfälscht einzufließen. In mutmaßlich glücklichen Zeiten teilt sich sogleich eine sorglos schwebende Heiterkeit mit. Als Kimber Smith an Krebs erkrankt, dominieren dann kantig gegeneinander gestellte Farbblöcke. schmerzlich verengte Gitter-Strukturen.

Gewiss: Es sind auf den ersten Blick „gestaltlos“ wirkende Bilder, bei denen einige Leute denken mögen, dies könne doch jedes Kind. Nur zu! Pädagogisches Begleitprogramm ist die Aktion „Malen nach Kimber Smith“. Gut vorstellbar. dass der Künstler (selbst Vater zweier Söhne) am hurtigen Vergleich seine Freude gehabt hätte. Schade, dass es eine solche Ausstellung nicht geben wird.

Museum „Quadrat“, Bottrop, Im Stadtgarten 20 (Tel. 02041/ 996-808). 5. Dez. 2004 bis 6. Feb.2005. Di bis So 10-18 Uhr. Eintritt 5 Euro, Katalog 24 Euro.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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