Satelliten über dem Kuhstall – Hagen: NS-Kunst mit bäuerlicher Wirklichkeit konfrontiert

Von Bernd Berke

Hagen. Osthaus-Museumsleiter Dr. Michael Fehr ist kein Freund des Augenschmauses ohne Hintersinn. Lieber zeigt er Bilder-Folgen, die Gedankenspiele anregen. Darauf zielt auch die Schau „Landschaft und bäuerliches Leben in Südwestfalen“ ab.

Ausgangspunkt sind jene Bilder, die zwischen 1938 und 1944 in den Hagener Museums-Fundus eingingen und seit Kriegsende aus gutem Grund im Depot blieben. Quelle der Ankäufe waren seinerzeit die „Großen Sauerländischen Frühjahrsausstellungen“. Dort gab es Kunst, die den NS-Machthabern genehm war: Bruchlos wurde der Mythos vom treudeutschen Landmann bedient. Das war verlogen, denn gerade in jener Zeit wurde die Rationalisierung bäuerlicher Betriebe vorangetrieben.

Das Schlagwort „Nazi-Kunst“ trifft nur bedingt. Nicht alle diese Werke, die vielfach tradierte Formen aufgreifen, sind gleich schlecht. Ja, es ergeben sich gelegentlich gar ästhetische Anklänge an Arbeiten etwa einer Käthe Kollwitz, die als Kontrast gezeigt werden. Doch bei Kollwitz ist bäuerliche Arbeit kein heroischer Akt für Blut und Boden, sondern irdische Mühsal. Und wenn ein Ewald Mataré ein Rind zur Skulptur formt, so. kommt die behutsame Abstraktion dem Wesen des Tieres ungleich näher als jene muskulösen Wunder-Viecher der meisten NS-Maler.

Der beherrschende Blick von oben

Minder begabte Künstler hielten sich oft an die Überlieferung eines von oben herab beherrschenden Blicks auf die Landschaft. Gespenstisch, wie diese Sicht heute technisch auf den Begriff gebracht wird: Man sieht einen Lehrfilm zur Satelliten-Navigation, mit der aus dem All sämtliche Anbaugebiete der EU metergenau kontrolliert werden. Eine Museumswand ist mit Formularen tapeziert, die ein Bauer heute ausfüllen muss. Sein Hauptarbeitsplatz ist nicht der (automatisierte) Kuhstall, sondern der Computer. Der- Dortmunder Landwirt Erhard Freudenberger, der die Schau mitgestaltet hat, bestätigt es seufzend.

Nicht nur die ausgestellten Schulbücher und Schautafeln lassen es ahnen: Trotz aller Technik wird unsere Vorstellung immer noch vom Rösslein geprägt, das der Bauer im Märzen anspanne. Mit solch grotesken Bewusstseins-Verspätungen geht man am besten ironisch um. Der Künstler Bernd Gutzeit (vormals Karikaturist der WR) hat es getan. Seine raumgreifende Installation mit ausgestopften Tieren und allerlei altem bäuerlichem Gerät lässt uns schmunzeln, aber auch wehmütig spüren, dass diese Welt längst im Meer der Zeit versunken ist.

Osthaus-Museum. Hochstraße 73. Vom 19. Sept. bis 31. Okt.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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