Jackie Leven: Die Geister des Lebens beschwören

Von Bernd Berke

Bochum. Schön verrauchte Club-Atmosphäre in der Bochumer „Zeche“, lauter Eingeweihte sind da: „Single Father“ ruft einer. Alle wissen es zu deuten.

Gemeint ist der traurige Song vom allein erziehenden Mann. Ein Thema, das wirklich nicht jeder besingt. Aber der Schotte Jackie Leven tut’s.

Seine voll tönende, von Folk, Blues und teils bitterer Lebenserfahrung (zwei gescheiterte Ehen, überwundene Heroinsucht) gesättigte Stimme kommt aus einer Brust von Pavarotti-Umfang. Wär’s nötig, so reichte sie wohl übers Meer.

Die harten, die messerscharf bedrohlichen Seiten des Lebens sind in diesen eisheißen Liedern ebenso aufbewahrt wie schwebend poetische Seelenzustände am Rande der Trance. Auch Levens Gitarre spricht all diese Sprachen, sie wird zum lebendigen Wesen, das von Schwermut und Hoffnungen weiß.

Die meisten Songs stammen aus den neueren Alben „Forbidden Songs of the Dying West“ und „Defending Ancient Springs“ (etwa: Die uralten Quellen beschützen).

Das Alltägliche mit archaischen Wurzeln

Diese Musik ist von heute, handelt oft vom Alltäglichen, hat jedoch archaische Wurzeln und einen Hang zu Mysterien. Manchmal meint man, es erschalle aus den schottischen Highlands der Ruf eines Ritters oder Zauberers, der die Geister des Lebens beschwört. Eigentlich ist der Mann nicht einzuordnen, immerhin passt das ihm verliehene Etikett „Keltischer Soul“ ein wenig.

Es sind meist die alten Geschichten von Verlust und Verzweiflung, doch sie klingen wie ganz neu erzählt und leuchten unmittelbar ein: Schneidende Kälte von Verlassenheit dringt wie ein Urschrei aus dem „Paris Blues“, und selten hört man eine so bezwingende Version eines Pop-Klassikers wie diese: „You’ve Lost That Loving Feeling“ geht einem in Levens Fassung ungleich tiefer zu Herzen als im eher seichten Original.

Levens Gefährtin Deborah Greenwood (Gesang) und Michael Cosgrave (Keyboards) gehören innig dazu. Im Grunde ist es unfassbar, dass derlei eindringliche Musik immer noch als Geheimtipp gilt.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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