Sanftes Licht aus paradiesischen Gefilden – Amsterdamer Rijksmuseum präsentiert „Das Goldene Zeitalter“

Von Bernd Berke

Amsterdam. Wichtig ist nicht nur wie, sondern auch wo man lebt. Für einen Maler gilt dies wohl erst recht. Da gibt es beispielsweise diese Sache mit dem „Delfter Licht“, das sich unvergleichlich mild ausbreitet und alle Dinge in eigentümlich beruhigender Klarheit hervortreten lässt.

Wer weiß: Vielleicht wäre Jan Vermeer als Künstler ein ganz anderer geworden, hätte ihn nicht dieses Licht umhüllt und ihm die Welt vor Augen geführt. Er musste es „nur“ noch malen…

So ist denn in der famosen Amsterdamer Ausstellung „Der Glanz des Goldenen Jahrhunderts“ ein Kapitel eben jenem Delfter Phänomen gewidmet, dessen Wirkungen auch bei Künstlern wie Pieter de Hooch und Gabriel Metsu zu gewahren sind. Man schaue nur, wie sich dieses Licht, als fließe es aus paradiesischen Gefilden, in Vermeers Meisterwerk „Die Küchenmagd“ sanft über den Brotkorb ergießt. Man schaue und staune.

So wird es einem in dieser einmaligen Sonderschau zum 200jährigen Bestehen des Rijksmuseums öfter ergehen. Zu sehen sind aus aller Welt zusammengeführte Schätze des Goldenen Zeitalters der niederländischen Kunst, also aus dem 17 Jahrhundert.

In 23 sinnreich aufbereitete Abteilungen gliedert sich die Fülle der 200 prächtigen Exponate, darunter auch kostbare Alltagsgegenstände jener Ära wie etwa edles Mobiliar und funkelnde Trinkgefäße. Die relativ kurze Anreise nach Amsterdam lohnt sich aber vor allem wegen der meisterlichen Gemälde von Rembrandt, Frans Hals, Vermeer und anderen.

Abschied von der Harmlosigkeit

Gleich eingangs steht man vor zwei denkbar verschiedenen Darstellungen des Heiligen Sebastian. Während Joachim Wtewael anno 1600 den Märtyrer sogar im Moment des größten Schmerzes mit makellosem Leibe zeigt, erscheint er auf dem 1625 gemalten Bild von Henrik Ter Brugghen als Mensch aus Fleisch und Blut, den man mit Pfeilen übel zugerichtet hat. Lichtführung und Schattenwurf verleihen der Szene eine ungeheure Dramatik. Der Einfluss eines Caravaggio ist unverkennbar.

Es ist, als seien Strategien szenischer Dramatisierung an die Stelle religiöser Überhöhung getreten. Zur gekonnten Inszenierung zählt auch die Wahl des einzig richtigen Gipfel-Moments, beispielhaft zu sehen an Rembrandts „Raub der Europa“ (1632).

Hier also haben wir den Eintritt ins große Zeitalter der niederländischen Kunst, in dem sich nicht nur das Menschenbild ändert. Auch der allmähliche Übergang von idealisier- ten Phantasie-Landschaften zu realistischen Panoramen ist ein Thema der Ausstellung. Die Seestücke ergehen sich nicht mehr im unnatürlich lieblichen Spiel der Wellen, sondern schildern die volle, lebensbedrohliche Wucht der Meereswogen. Es sind Abschiede von der Harmlosigkeit.

Wirtschaftlich waren die Niederlande damals erstarkt. Wohl auch deshalb wurden sinnliche und weltliche Dinge, wurde die Aneignung der greifbaren Wirklichkeit zur größten Triebkraft der Künste. So raffiniert und täuschend echt wirken etwa manche Stillleben, dass man am liebsten in die Früchte hineinbeißen würde. Hier ist Genauigkeit eine Lust, dort ein Schock: Rembrandt gibt uns in „Die Anatomie des Dr. Tulp“ einen fast drastisch deutlichen Einblick ins Handwerk der Chirurgen – und eine Ahnung von der Vergänglichkeit allen Lebens.

Sinnlichkeit und Gier

So exakt die Abbilder erscheinen mögen, so tragen sie doch symbolische Fracht: Ein Hochzeitsporträt des Frans Hals (um 1622) lässt sich letztlich nur verstehen, wenn man weiß, welche Bedeutung die Pflanzen als Sinnbilder des Treuegelöbnisses haben.

Von berstender Sinnlichkeit, freilich auch von Gier künden die Genrebilder mit all den Huren, feuchtfröhlichen Zechern, Kupplerinnen und lüsternen Freiern. Doch es gibt auch die geläuterte Liebe: Welcher höhere Sinn und Edelmut waltet in Rembrandts Paarbildnis „Isaak und Rebekka“ („Die Judenbraut“, um 1665), dem Inbild lebenslanger Treue!

Amsterdam, Rijksmuseum (Stadhouderskade 42 / Tel. 0031/20 67 47 047). Bis 17. September. Tägl. 10-17 Uhr. Dt. Katalogbuch (Belser Verlag) 98 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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