Das Fischstäbchen und die Küchen dieser Welt

Von Bernd Berke

Das glaubt einem erst mal niemand. „Ein Fischstäbchen-Kochbuch? Gibt’s doch gar nicht!“ Gibt’s wohl! Von wegen: Packung auf, unaufgetaut rein in die Pfanne, goldgelb braten und rasch verzehren. Diese freudlosen Zeiten sind vorbei. Jetzt können die Freunde des Fischstäbchens in Vielfalt schwelgen.

Obwohl: Eigentlich sind „Fischstäbchen pur“ ja auch nicht zu verachten. Die meisten Kinder mögen sie – ähnlich wie Pommes – sowieso furchtbar gerne. Auch mancher Erwachsene würde sich wohl zur Kabeljau-haltigen Stapelware bekennen, gäbe es nicht diese selbsternannten Gourmets und Lifestyle-Meinungsführer, die uns weismachen wollen, man könne alles nur noch in unendlichen Verfeinerungen genießen. Sie kochen und essen nicht mehr Spinat mit Kartoffelbrei, sondern Spinat „an“ Kartoffelbrei.

Garniert mit allerlei Früchten

„Die besten Rezepte aus aller Welt“ verspricht „Das Fischstäbchenbuch“ (Lappan Verlag, 64 Seiten, 19,80 DM). Das Ganze ist nicht tierisch ernst gemeint. Davon zeugen schon die Cartoon-Illustrationen. Kalauerndes Beispiel: Statt eines Taktstockes schwingt der Maestro ein Fischstäbchen. Unterzeile: „Herbert von Kabeljau dirigiert das Forellenquintett“. Nun ja.

Nun aber zum Kern der Sache, der sich gleichsam unter der bröselnden Panade verbirgt: Wir finden Rezepte, die das gute alte Fischstäbchen mit den Küchen der Welt verquicken: China, Venezuela, Japan, Frankreich, Italien, Indien, Deutschland…

Fakirs Beschwörungen…

Für die chinesische Variante wird den Stäbchen eine süßsaure Sauce bereitet, japanisch sollen sie mit frittiertem Gemüse schmecken. Zur französischen Fassung gehören Crêpes, den Rest muss man sich wortwörtlich auf der Zunge zergehen lassen: „Crêpes mit der Porreefüllung bestreichen. Ein bis zwei Fischstäbchen dazugeben, Briescheiben darauflegen (…) Dazu passt ein leichter Weißwein oder ein Gläschen Pernod.“ Voilà!

Poetisch klingen zuweilen die Namen: Das norwegische Gericht heißt beispielsweise „Edvard Griegs Wintertraum“, das Resultat der indischen Küche wird „Fakirs Beschwörungen“ getauft und bringt die Fischquader in kulinarische Berührung mit Passionsfrüchten, Bananen, Lauch, Maracujasaft, Ingwer und Joghurt.

Auf Küchenkrepp abtropfen lassen

Für die italienischen Momente im Leben werden die Fischstäbchen auf ein „Tomaten-Mozzarella-Basilikum-Gratin“ gebettet, der Schweizer kombiniert sie angeblich am liebsten mit Raclette, der Deutsche wahlweise mit Nordsee-Krabben, Pellkartoffeln, Bohnen oder Speck. Unterdessen zaubert der Grieche einen Auflauf mit Brokkoli, und der Amerikaner kommt auch hier nicht ohne Ketchup aus. Das Grundrezept lautet eben: Stäbchen plus jeweiliges Klischee der Länderküche.

Ein Satz kehrt hartnäckig in allen Anleitungen wieder: „Fischstäbchen im Öl knusprig braten und auf Küchenkrepp abtropfen lassen“. Hoffentlich kriegen wir das hin! Der Selbstversorger, der sich nicht mundgerecht von Käpt’n Iglo oder anderen Tiefkühlfirmen beliefern lassen mag, erhält obendrein das Rezept für „Leckere Fischstäbchen aus eigener Produktion“. Schwere Aufgabe: „Kabeljau in Fischstäbchen entsprechende Blöcke schneiden.“ Das Standardmaß lautet übrigens: 89 mal 27 mal 18 Millimeter. Wir üben schon mal.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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