Wenn jeder Gestaltungswille erlischt – Willem de Koonings Spätwerk in Bonn

Von Bernd Berke

Bonn. Wenn in den letzten Jahren von Willem de Kooning die Rede war, dann weniger von seinen Bildern als von seinem Leiden. Der 1904 geborene Künstler lebt mit der Alzheimer-Krankheit und ist gar entmündigt worden.

Man denkt dieses Schicksal unweigerlich mit, wenn man jetzt seine Bilder aus den 80er Jahren im Bonner Kunstmuseum betrachtet.

Die Arbeiten tragen allesamt keine Titel, und sie sind denkbar abstrakt; jedoch nicht von einer souveränen, alles Überflüssige aussparenden Art, sondern seltsam vage im Gestus. Impulsive Farbschleier und Spuren-Verläufe, meist in leuchtendem Gelb, Rot und Blau, ziehen und schlängeln sich durch all diese 35 Großformate. Wenig einprägsam. Man könnte glauben, unvollständige, zwischendurch aufgegebene Puzzles vor sich zu haben.

Ist es eine Kunst des Weglassens auf dem Weg zum Wesentlichen, oder sind es nicht doch bestürzende Protokolle der Resignation, eines fortschreitenden Verlustes? De Kooning ist hier wohl nicht mehr auf der früheren Höhe seiner bildnerischen Kräfte, und vielleicht hätte man ihm diese museale Bloßstellung ersparen sollen, gegen die er sich nicht mehr wehren kann.

Der vormals so machtvolle Künstler scheint in dieser späten Schaffenszeit beseelt vom Drang zu einer nur noch auflodernden Helligkeit, die irgendwann jeden Umriß und jeden Gestaltungswillen auzulöschen droht. Es wirkt so, als seien die völlig weiße Leinwand, Zeit- und Ortlosigkeit seine Ziel- und Fluchtpunkte. Es fällt sehr schwer, ihm in solche Fernen zu folgen.

Nur am Anfang dieser Phase, im Jahr 1981, hat De Kooning noch seine Signatur hinterlassen. Namenlos gemalt, sehen die weiteren Arbeiten dann zunehmend tatsächlich wie anonyme Hervorbringungen aus. Wüßte man nicht, von wem sie stammen, würde man wohl unnachsichtiger und respektloser urteilen.

Parallel zu de Kooning sind im selben Hause (bis 22. September) illustrierte Bücher von der Hand Pablo Picassos zu sehen. Hier kann man spüren, was rege künstlerische Inspiration vermag. Und gleich gegenüber gastiert in der Bundeskunsthalle das großartig bestückte „Moderna Museet“ aus Stockholm (die WR wird darauf zurückkommen). Bonn ist zwar nicht mehr politische Hauptstadt, mausert sich aber zur Kunst-Kapitale.

Willem de Kooning: Das Spätwerk – Die achtziger Jahre. Kunstmuseum Bonn (Friedrich-Ebert-Allee 2 („Museumsmeile“). Bis 18. August. Di-So 10-18 Uhr. Katalog 49 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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