Bazillus der Begabung – die Dortmunder Fotografen-Familie Angenendt

Von Bernd Berke

Dortmund. Wenn eine Familie über drei Generationen beachtliche Fotografen hervorbringt, wird man hellhörig. „Einen Bazillus oder irgend etwas mit den Genen“ vermutet Rudolf Angenendt als Ursache für die fortgepflanzte Begabung.

Aber es waren auch Patriarchen im Spiel. Rudolf Angenendt (Jahrgang 1924) kam zur Fotografie, weil ihn sein Vater Erich (1894-1962) rabiat dazu gezwungen hat. Und Rudolfs Sohn Christian Angenendt (geboren 1956) geriet – nach abgeschlossenem Germanistik-Studium – in die Fänge des Dortmunder Foto-Professors und Fach-Despoten Pan Walther. Da konnte auch er nicht mehr anders.

Arbeiten von Großvater, Vater und Sohn sind jetzt im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte (Hansastraße) vereint. Und da zeigt sich, daß in der Lichtbildner-Dynastie Angenendt, die aus Hamm kam und dann in Dortmund ansässig wurde, nicht durchweg ein- und derselbe Geist geherrscht hat.

Großvater Erich widmete sich noch vorwiegend Motiven aus der herkömmlichen Schwerindustrie. Bewunderung für imposante Technik rund um Kohle und Stahl spricht aus diesen Bildern. Vielfach gerinnt diese Sicht zu prototypischen „Ikonen“ des Ruhrgebiets früherer Zeiten. Die Aufnahmen sind so formbewußt gestaltet, daß sie der Gefahr einer Glorifizierung des industriellen Heldenlebens entgehen.

Rudolf Angenendt ging zwar auch unter Tage, um dort ungewöhnliche Farbaufnahmen anzufertigen, doch interessierten ihn später vor allem grundlegende chemische und physikalische Prozesse, die er mit aufwendigen Verfahren in Forschungslabors fotografisch festhielt. So gelangen ihm erstaunliche Bilder von Wärme- und Kälteströmen oder von den Wallungen des Chlorgases. Verblüffende Erkenntnis: In den Naturgesetzen waltet eine verborgene Ästhetik, die gewissen Formen der abstrakten Kunst nahe kommt.

Auch Christian, der Jüngste, hat sich für seine Diplomarbeit in einem Hüttenwerk umgetan. Doch er spürt zwischen den Hochöfen lauter Zeichen des Verfalls auf. Wie er denn überhaupt einen wachen Sinn für Verletzungen der Dinge hat. Wenn er etwa zersprungene Flaschen oder abgeblätterte Farben zeigt, schwingt Wehmut mit über den Zustand der Welt.

Bis 14. April. Tägl. außer Mo. 10-17 Uhr, Katalog 49 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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