Dortmunds etwas andere Buchmesse – Schau mit 3000 Bänden im Harenberg City-Center

Von Bernd Berke

Dortmund. Wir alle kennen den Reklamespruch aus dem Fernsehen. Hier die von Schleichwerbung bereinigte Fassung: „Für die einen ist es ,Mh-mh‘, für die anderen ist es die längste Praline der Welt“. Die Formel ist auf ein neues Kulturereignis anwendbar: Für die einen ist es eine Bücherschau, für die anderen ist es die „1. Dortmunder Buchmesse“… Mal ehrlich, verdient sie diesen Namen?

Lokalstolz beiseite. Wenn man nüchtern Zahlen vergleicht, wird schon einiges klar: Die Veranstaltung im City-Center des Dortmunder Harenberg-Verlages präsentiert jetzt rund 3000 Bücher, in der nächsten Woche werden auf der Frankfurter Buchmesse (an der Harenberg seit Jahren nicht mehr teilnimmt) etwa 320.000 Bände gezeigt. In Dortmund sind etwas über 200 deutschsprachige Verlage vertreten, hinzu kommen Anbieter von Kalendern und Datenscheiben (CD-Rom); am Main werden fast 8600 Aussteller aus aller Welt Geschäfte machen, die elektronischen Lese-Medien werden eine ganze Halle füllen.

Auch fehlen in Dortmund das internationale Flair und der schwunghafte Handel mit Lizenzen – das, was zu einer Großmesse gehört. Also: Erst kommt Frankfurt, dann lange nichts. Dann Leipzig, dann wieder lange nichts. Dann vielleicht Dortmund. Die Dortmunder Schau erspart also keineswegs die Reise nach Frankfurt, sie hat aber durchaus ihre Berechtigung. Hier herrscht nicht der Massenandrang, der vom Schmökern abhält. Also kann man in relativer Ruhe blättern – und die Lektüre auch gleich ordern. Denn nahezu alle Dortmunder Buchhandlungen machen mit, und sie haben eine Bestelltheke eingerichtet.

Das ist überhaupt eine herausragende Fähigkeit des Verlegers Bodo Harenberg und seiner Mitarbeiter: viele Leute unter einen Hut zu bringen. So sorgt er bereits mit einer Autoren-Lesereihe für mehr Furore als manch städtisches Kultur-Unterfangen. Und so kamen zur Eröffnungs-Gala der „1. Dortmunder Buchmesse“ praktisch alle, die Rang und Namen haben im (Kultur)-Leben der Stadt.

„Dortmunder Initial“ für Andrzej Szczypiorski

Sie kamen auch zu Ehren des polnischen Autors Andrzej Szczypiorski („Die schöne Frau Seidenman“), der im Rahmen der Gala einen neuen Literaturpreis, das „Dortmunder Initial“, entgegennahm. Die vom örtlichen Buchhandel gestiftete Auszeichnung sagte Szczypiorski, der vor fünf Jahren bereits den Dortmunder NellySachs-Preis erhalten hatte, sichtlich zu. Der grundsympathische Herr küßte die Trophäe, nannte Dortmund seine temporäre „Hauptstadt der Kultur“ und bedankte sich mit einer Lesung aus seinem „Selbstporträt mit Frau“.

Zuvor hatte Verleger Bodo Harenberg ein „Plädoyer für das Buch“ gehalten und „Freispruch“ für alle Leser beantragt. Als Gegengewicht zur „Einminuten-Kultur“ elektronischer Medien werde das Buch wieder an Bedeutung gewinnen, hofft Harenberg. Nun, auch sein Verlag lebt vielfach von bebilderten Info-Happen zum schnellen geistigen Verzehr. Was ja nicht verkehrt sein muß. Information verlangt eben Tempo.

Zurück zur „Buchmesse“. Die etwa 3000 Titel wurden auf Anforderung von den Verlagen nach Dortmund geschickt. Die wichtigsten Häuser sind dabei, wenn auch zum Teil mit schmalen Kontingenten. Man sieht ’94er-Neuerscheinungen aus der Frühjahrs- und Herbst-Produktion. Auf allzu spezielle Sachbücher wurde verzichtet.

Die Auswahlkriterien sind nicht recht ersichtlich, im Zweifel hatte wohl das Populäre Vorrang. Sortiert hat man nach Sachgruppen. Der größte Sektor heißt „Unterhaltung“. Dabei sind in der Hast ein paar fragwürdige Zuordnungen unterlaufen. So liegen Bücher des Romanciers Gerhard Köpf oder des als „Götterliebling“ gehandelten ostdeutschen Lyrikers Durs Grünbein gleich neben solchen von Heinz G. Konsalik. So fließend sind die Grenzen ja nun auch wieder nicht. Daß Bücher von Bertelsmann (dorthin verkaufte Harenberg seine „Chronik“-Edition) und Harenberg selbst ein kleines bißchen mehr auffallen als andere – wer will es dem Hausherren des City-Centers verdenken?

„1. Dortmunder Buchmesse“. Harenberg City-Center, Königswall 21. Bis 2. Oktober, tägl. 10-19 Uhr.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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