Monatsarchive: Dezember 1994

Blutrünstiges aus dem Soziallabor – Jürgen Bosse inszeniert Edward Bonds „Ollys Gefängnis“ in Essen

Von Bernd Berke

Essen. Klingt wie eine jener mysteriösen, weil arg verkürzten Mord-Meldungen auf bunten Seiten: „Weil sie eine Tasse Tee nicht trinken wollte, hat Mike X. seine Tochter Sheila erdrosselt.“ In Edward Bonds neuem Stück „Ollys Gefängnis“ erfährt man, wie es dazu kommen konnte. Aber ist man danach schlauer?

In Jürgen Bosses Essener Inszenierung sitzt jene Sheila (Jennifer Caron) bereits bei laufendem Fernsehgerät im Spießbürger-Zimmer auf der Bühne, wenn sich der Zuschauerraum allmählich füllt. Doch sie schaut gar nicht hin; weder aufs TV-Programm (Comedy-Shows) noch auf ihren Vater Mike (Matthias Kniesbeck).

Der Witwer hat sich rührend bemüht, hat für die Tochter gekocht und gebügelt, will nun auch mal ein paar Takte mit ihr reden. Doch so sehr er auch … Weiterlesen

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Geschichte ist wie ein flüchtiger Duft – John Updikes „Erinnerungen an die Zeit unter Ford“

Von Bernd Berke

Wie riecht Geschichte, wie schmeckt sie, wie fühlt sie sich an? Wie nähert man sich ihr mit allen Sinnen, ohne den großmächtigen Abstraktionen der Haupt- und Staatsakte aufzusitzen?

Solche Fragen bewegen den Geschichtsprofessor Alfred C. Clayton, den Ich-Erzähler im neuen Roman von John Updike. Auf Anfrage einer historischen Kommission soll sich Clayton an die Präsidentschaft von Gerald Ford (Amtszeit 1974-77) erinnern. Doch seine Antwort fällt anders aus, als es die stockseriösen Herren wohl erwartet haben. Für Clayton besteht die Ära Ford nämlich weniger aus großer Politik, als aus seinen eigenen Privatgeschichten. Gerade dort, so findet er, weht mehr vom Geist der Epoche als im öffentlichen Leben.

Die Essenz der Ford-Ära liegt für Clayton z. B. im unverwechselbaren … Weiterlesen

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Die Welt muß noch entdeckt werden: Peter Handkes „Mein Jahr in der Niemandsbucht“ – eine Expedition auf 1066 Seiten

Von Bernd Berke

Peter Handke ist ein hochtrabender Autor, und dicke Bücher sind stets langweilig. So weit die Vorurteile. Kann denn ein Handke-Buch mit 1066 Seiten spannend sein?

Daß sich in Handkes Riesenroman „Mein Jahr in der Niemandsbucht“ nicht viel begibt, kann nur behaupten, wer Action-Maßstäbe anlegt. Man fühlt sich alsbald aufgehoben in der strömenden Ruhe des langen Erzähl-Flusses. Passendes und weitgehend eingelöstes Handke-Zitate: .„Obwohl sich nichts tat, ging es hoch her.“ Oder auch: „Was für ein Erlebnis, und wie es einen aufweckt, eine Spannung aus nichts und wieder nichts.“

Ein Vorort als Mittelpunkt

Handkes Ich-Erzähler, der Schriftsteller Gregor Keuschnig, wohnt – nach Trennung von seiner Frau – draußen in einer buchtförmigen Pariser Vorstadt. Straßen und Wälder, Häuser und Menschen, … Weiterlesen

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Der herbe Charme verfallener Fabriken – Industrie-Fotos von Bernd und Hilla Becher in Münster

Von Bernd Berke

Münster. Ist es Sturheit oder Konsequenz? Seit über 30 Jahren fotografieren Bernd und Hilla Becher immer und immer wieder Industriebauten. Sie werden nicht müde, die Relikte einer versinkenden Arbeitsweit im Bilde festzuhalten.

Ein immenses Werk hat sich angehäuft, aus dem das Westfälische Landesmuseum in Münster – trotz beachtlicher Stellfläche – nur kleine Ausschnitte vorzeigen kann.

Bernd Becher (Jahrgang 1931) ist in Siegen aufgewachsen, ganz nah bei einem Hochofen. Der häßlich-erhabene Anblick hat ihn wohl fürs Leben geprägt. 1957 gab er die Malerei auf, weil er industrielle Motive möglichst emotionslos wiedergeben wollte. Vor-Bilder waren unterkühlt sachliche Fotos, die er in Betriebsbüros gesehen hatte. Seine Frau Hilla (geboren 1935), gelernte Lichtbildnerin, besaß Ausrüstung und technisches Wissen.

Am Aufnahmeverfahren hat … Weiterlesen

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Gags direkt aus der Tüte – Comödie Bochum mit dem Lustspiel „Endlich allein“

Von Bernd Berke

Bochum. Furchtbar, diese Nesthocker! Da wähnen die Eltern, sie hätten ihre Sprößlinge zu selbständigen Menschen erzogen und atmen bei deren Auszug schon dankbar auf: „Endlich allein!“ Doch kaum hat der mittlerweile 20- bis 30jährige Nachwuchs die ersten Problemchen mit Ehe oder Job, da kehrt er mit allen Ansprüchen ins traute Heim zurück. „Sie sind wie die Yo-Yos“, stöhnt die Mutter.

Kleine, im Grunde schrecklich harmlose Sticheleien zwischen den Generationen ergeben ein rechtes Familienprogramm fürs Boulevardtheater. Kein Wunder also, daß die erst seit ein paar Wochen auf dem Theatermarkt agierende „Comödie Bochum“ nun Lawrence Romans Lustspiel „Endlich allein“ (Regie: Gerhard Mohr) als bereits dritte Premiere auf den Plan setzt.

Sieben Türen sieht man auf der Bühne. In einer … Weiterlesen

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