Monatsarchive: März 2007

Melancholischer Reigen der einsamen Menschen – Kinofilm „Herzen“ vom Altmeister Alain Resnais

Von Bernd Berke

Schnee. Schnee. Schnee. An den Nahtstellen dieses Films schneit es unentwegt; nicht nur draußen, sondern häufig – so wirkt es – bis in die Zimmer hinein. Doch obwohl Altmeister Alain Resnais in „Herzen“ lauter einsame Menschen zeigt, fallen die Flocken nicht etwa als Zeichen für Seelenkälte.

Vielmehr gibt das weiße Gestöber der Bilderfolge eine durchweg flüchtige Gestalt. Ein weiteres, häufig wiederkehrendes Element der festeren Art sind jene Wände und Gitter, hinter denen die Menschen sich hier häufig verbergen. Dass keiner sich preisgeben mag, ist insgeheim ein Hauptthema dieses großartig besetzten, formbewussten und vielschichtigen Films.

Die episodische Handlung ist als Reigen aus 54 Sequenzen angelegt. Fast kaum zu glauben, dass die Theater-Vorlage vom britischen Komödien-Vielschreiber. Pariserisch ist das … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Kino | Verschlagwortet mit , , , , , , | Kommentare deaktiviert für Melancholischer Reigen der einsamen Menschen – Kinofilm „Herzen“ vom Altmeister Alain Resnais

Martin Walser wird 80: Panoptikum der Mittelschicht

Handelsvertreter, Chauffeur, Werbefachmann, Studienrat, Leitender Angestellter einer Zahnersatz-Firma. Schon ein Auszug aus der Berufsliste, die Martin Walser in seinen Romanen erkundet, lässt ahnen: Hier ist einer durch etliche Untiefen des Kleinbürgertums gewatet. Der literarische Schwerarbeiter wird morgen 80 Jahre alt.

Der Gastwirtssohn vom Bodensee hat, wenn schon kein literarisches Universum, so doch ein schattierungsreiches Panoptikum der deutschen Mittelschicht errichtet.

Des Kleinbürgers ständiger Zwiespalt ließe sich analog zur Bundesliga skizzieren: mal Abstiegsangst, mal Überlegenheits-Phantasien. Mit Walsers Büchern, angefangen bei den famosen „Ehen in Philippsburg” (1957) und der Anselm-Kristlein-Trilogie („Halbzeit”, „Das Einhorn”, „Der Sturz” – 1960 bis 1973), kann man das Innenleben solcher Gestalten mit allen Anpassungsnöten und Versagensängsten nachfühlen.

Walser zeigt Menschen, die halbwegs „nach oben” gekommen sind, am dringlichsten nach … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Lebenswege, Literatur | Verschlagwortet mit , | Kommentare deaktiviert für Martin Walser wird 80: Panoptikum der Mittelschicht

Goethe: Liebe, Geld und weise Worte

Kinder, wie die Zeit vergeht: Goethes Tod ist morgen auch schon wieder 175 Jahre her. Ist denn nicht alles über ihn gesagt? Offenbar sind nicht mehr die ganz großen Würfe über den angeblich größten Dichter der Deutschen gefragt, sondern eher anregende „Häppchen” zu Werk und Leben. Gepflegte Lektüre-Anstöße für eilige Leser. Dabei muss es ja nicht bleiben.

Der Germanist Gero von Wilpert rückt mit seinem vergnüglichen Buch „Die 101 wichtigsten Fragen – Goethe” dem Phänomen recht nahe. Was man da lernt! Der Dichterfürst war im Altersdurchschnitt 1,74 Meter groß – so viel zum Thema „Größe”. Wir erfahren, wie der Olympier sich in verschiedenen Phasen seines Lebens gekleidet hat (teils ziemlich geckenhaft); dass er 12 bis 20 Prozent (!) seines Jahreseinkommens … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Lebenswege, Literatur | Verschlagwortet mit , , , | Kommentare deaktiviert für Goethe: Liebe, Geld und weise Worte

„Tannöd“: Plötzlich ein Bestseller

Fast schon märchenhaft: Eine bislang völlig unbekannte Autorin hat Anfang 2006 im Hamburger Kleinverlag Edition Nautilus ihr Romandebüt mit dem wenig aufregenden Titel „Tannöd” vorgelegt. Jetzt führt das Buch auf einmal die Bestsellerliste an. Woran liegt es?

Zunächst gab es im Januar für „Tannöd” den Deutschen Krimipreis. Das hat schon mal ein wenig geholfen. Viel wichtiger noch: Kurz darauf war am 19. Januar die Schauspielerin Monica Bleibtreu bei Elke Heidenreich („Lesen!” im ZDF) zu Gast. Just Bleibtreu war es, die den „Tannöd”-Text fürs Hörbuch gesprochen hat. Sie dürfte Elke Heidenreich bewogen haben, das Buch (und damit die CDs) zu empfehlen, was prompt geschah: „Fabelhaft! Ein unglaubliches Buch”, befand die Vorleserin der Nation.

Von Stund‘ an ging’s rasant bergauf. Jetzt hat … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Buchmarkt & Lesen, Literatur | Verschlagwortet mit , , , | Kommentare deaktiviert für „Tannöd“: Plötzlich ein Bestseller

Solch ein Glück ist einfach goldig

In den 80er Jahren war er ein Pop-Star, seitdem ging’s bergab. Jetzt erinnert sich ein New Yorker TV-Sender an diesen Alex Fletcher.

Doch ihm winkt nicht etwa ein Solo-Auftritt zum Comeback, sondern ein demütigendes Show-Spielchen: Gegen die Konkurrenz von „damals” soll Alex erst mal boxen. Falls er gewinnt, darf er ein Lied vortragen. Ansonsten buchen ihn nur noch billige Vergnügungsparks für lauwarme Nostalgie-Nachmittage.

Dann aber lockt die wirkliche Chance. Die jetzt allseits angesagte Pop-Prinzessin Cora Corman (Haley Bennett) hat als Siebenjährige seine Musik gehört. Nun braucht sie den neuen Superhit und zettelt einen Wettbewerb an. Problem: Alex hat seit Jahren keinen Song mehr geschrieben. Da trifft es sich, dass Sophie, die eigentlich nur seine Zimmerpflanzen versorgen soll, eine ungeahnt lyrische … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Kino, Liebesleben | Verschlagwortet mit , , , | Kommentare deaktiviert für Solch ein Glück ist einfach goldig

Doppelter Kitzel mit Nazi und Porno

Will man öffentliches Ärgernis erregen oder wenigstens Aufmerksamkeit wecken, so bieten sich zwei Zutaten an: Irgendetwas mit Nazis – oder irgendetwas mit Sex. In diesem Sinne ist es günstig, wenn beides sich mischt. Idealtypisch lässt sich das jetzt am Fallbeispiel des Echos auf die Autorin Ariadne von Schirach studieren.

Der doppelte Kitzel ergibt sich hieraus: Die 28-Jährige ist Enkelin des NS-„Reichsjugendführers” Baldur von Schirach und legt nun mit „Der Tanz um die Lust” (Goldmann, 384 Seiten, 14,95 Euro) ein Buch über den pornographischen Blick vor. Nur scheinbar paradox: Sie schreibt pornographisch gegen allgegenwärtige Pornographie an.

Eine Kernthese, ausgebreitet in einer Haltung zwischen Erzählung und Essay: Das Prinzip „Porno” dominiert immer mehr und besetzt unsere Phantasien dermaßen, dass wir kaum noch … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Buchmarkt & Lesen, Geschichte, Gesellschaft, Liebesleben | Verschlagwortet mit , , | Kommentare deaktiviert für Doppelter Kitzel mit Nazi und Porno

Jenseits der bloßen Ästhetik – Bundeskongress der Kunstpädagogen in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Die letzten Treffen gab’s in München und Leipzig, nun ist Dortmund an der Reihe: An der Uni und im Harenberg City-Center tagt von morgen bis Sonntag der Bundeskongress der Kunstpädagogen.

Welche Themen stehen auf der Agenda der rund 300 Teilnehmer? Die WR fragte den Dortmunder Kunstwissenschaftler Prof. Klaus-Peter Busse, der beim Kongress federführend ist.

In der wahrlich vielzitierten Pisa-Studie, bei der deutsche Schüler bekanntlich im Schnitt nicht geglänzt haben, seien die ästhetischen Fächer (Musik, Kunst) gar nicht berücksichtigt worden, sagt Busse. Also wollen die Kunsterzieher jetzt selbst eine Standortbestimmung vornehmen. Ein wachsendes Problem, doch auch eine Chance ist offenbar die kulturelle Verschiedenheit in den Klassenzimmern. Busses Wunsch: „Man sollte Fremdheit aushalten und ins Produktive wenden.“

In … Weiterlesen

Veröffentlicht unter Kunst & Museen, Schule, Uni, Bildung | Verschlagwortet mit , , , | Kommentare deaktiviert für Jenseits der bloßen Ästhetik – Bundeskongress der Kunstpädagogen in Dortmund