Monatsarchive: Januar 2025

Zum Tod von Marianne Faithfull – Rückblick auf ein Konzert von 1999

Marianne Faithfull 1966 in der niederländischen TV-Sendung „Fanclub“. (Foto: A. Vente / Lizenz: Wikimedia Commons – https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/nl/deed.en)

Es ist wieder eine dieser ganz und gar traurigen Nachrichten, mit denen man stückweise selbst vergeht: Mit 78 Jahren ist die charismatische Sängerin Marianne Faithfull gestorben. Ihre Bedeutung geht weit über ihre anfängliche Rolle als „Muse der Rolling Stones“ (schon diese altbackene Bezeichnung!) hinaus. 1999 durfte ich sie bei einem Konzert in Köln erleben. Hier noch einmal der damalige Text, auch schon rund ein Vierteljahrhundert alt:

Köln. Ganz in Schwarz gekleidet, betritt sie die Bühne. Seht her, eine Dame! Man könnte sie sich gut in einer distinguierten Hotel-Lobby vorstellen, wartend. Doch schon die Art, wie sie Mikrofon und Zigarette hält, lässt ahnen, … Weiterlesen

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Fragile Schönheit der Erde, aus dem Weltraum betrachtet – Samantha Harveys Roman „Umlaufbahnen“

Zwei Frauen und vier Männer, zusammengepfercht auf einer Raumstation. Jeder Tag, an dem sechzehnmal die Sonne auf- und wieder untergehen wird und sie mit einer Geschwindigkeit von achtundzwanzigtausend Kilometern sechzehnmal die Erde umkreisen, folgt einem eigenen Zeit-Rhythmus, exakten Plänen, routinierten Abläufen.

Sie führen Experimente mit Mäusen, Pilzen und Viren durch, trudeln zeitlupenartig durch die Schwerelosigkeit, brechen zu Spaziergängen ins All auf, um Reparaturarbeiten an ihrer von Weltraum-Müll zerdepperten Behausung auszuführen. Sie hocken monatelang so eng aufeinander, dass sie mitunter „dieselben Träume“ träumen. Und während sie noch kopfüber in ihren Schafsäcken hängen und langsam erwachen, rollt draußen die Erde „in einem üppigen Schwall Mondlicht vor sich hin“ und „wälzt sich nach hinten weg.“

Weil die Fensterblenden verdeckt sind, sehen die vor … Weiterlesen

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Sechs Stunden sind nicht genug – In Bochum inszeniert Johan Simons Elena Ferrantes Roman „Meine geniale Freundin“

Freundinnen fürs Leben: Elena Greco (Jele Brückner, links) und Raffaela Cerullo (Stacyian Jackson) (Foto: Jörg Brüggemann/Ostkreuz/Schauspielhaus Bochum)

Sechs Stunden! Wo sitzt man noch so lange im Theater? Die Schauspielexzesse Peter Steins fallen einem ein, sein Antiken-Projekt, der Faust, der Wallenstein. Doch das ist Jahrzehnte her, und seitdem sind „90 Minuten, keine Pause“ längst schon so etwas wie gültiger Bühnenstandard geworden. Man mag das bedauern. Oder sich dem widersetzen. Johan Simons tut das, in Bochum.

Neapolitanische Saga

Er macht es wieder, seine „Brüder Karamasow“ nach Dostojewskij, Premiere im Oktober 2023, dauerten gar sieben Stunden, inklusive zweier Pausen nebst Gastmahl. Zu essen gab es diesmal auch, doch dazu später (vielleicht) mehr. Nun also: Premiere der Bühnenadaption von Elena Ferrantes Romanen um zwei … Weiterlesen

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Alles auf die Goldwaage: Peter Handkes Halbschlafprosa „Schnee von gestern, Schnee von morgen“

Peter Handke (82) war immer schon ein großer, unermüdlich Gehender in der weiten Welt und in der Literatur. Wo ist er nicht überall ausgeschritten? Auch sein neues, diesmal recht schmal geratenes Buch „Schnee von gestern, Schnee von morgen“ kreist um dieses stetige, langsame Unterwegssein. Doch wohin hat ihn und seine Protagonisten das alles geführt? Doch nicht etwa in ein Niemandsland?

Es ist wahrlich nicht leicht, sich hineinzufinden in diese fortwährende (Sprach)-Bezweiflung. Ein Wort reibt sich am anderen, ein jedes wird zergliedert – oft tiefgründig (oder gründelnd?), zuweilen aber auch geradezu flapsig oder beinahe albern. Jegliches Wort kommt allerdings auf die buchstäbliche Goldwaage. Soll man gar von Wortklauberei reden? Oder ist es nicht doch entscheidend, wenn es heißt, man solle sagen … Weiterlesen

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„Panik wäre angebrachter“ – Essays und Reden von Daniel Kehlmann

Im Juli 2024 hält Daniel Kehlmann im Berliner Bundeskanzleramt bei einem Kultur-Festakt eine Rede, mit der er den Zuhörern gründlich die gute Laune verdirbt. Denn statt die Kunst zu rühmen und ihr in der Ära der digitalen Moderne eine glorreiche Zukunft zu prophezeien, hält er eine Totenmesse und warnt vor den Gefahren der Künstlichen Intelligenz, die nicht nur die kreativen Berufe, sondern die ganze Demokratie bedrohe.

Da kommt etwas „auf uns zu, für das wir keinen angemessenen Instinkt haben“, das „nicht wirklich unser Gemüt erfasst“. Wir müssten aber endlich begreifen, dass die KI mit ihren Datenbanken und Algorithmen uns nicht nur Arbeit abnimmt, sondern auch unser Bewusstsein beherrscht und unsere Bedürfnisse ausbeutet, politische Meinungen herstellen, Gesellschaften zerstören und einen neuen … Weiterlesen

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Ohne Sorgen in die Unterwelt: Neujahrskonzert der Essener Philharmoniker

Die Essener Philharmoniker mit GMD Andrea Sanguineti beim Neujahrskonzert in der Philharmonie. (Foto: Volker Wiciok)

Einmal im Jahr ist es so weit. Da öffnen sich alle Türen und die Noten tanzen im Dreivierteltakt herein.

Silvester und Neujahr sind Strauß-Tage: Zahllose Konzerte weltweit lassen die Walzer, Polkas, Märsche und Quadrillen des „Walzerkönigs“ erklingen, beschwören vermeintliche Glanzzeiten, vergoldet von den Melodien von Johann Strauß Vater und Sohn und dessen Brüdern Josef und Eduard. Das Wiener Neujahrskonzert hat sich seit Beginn der Radio- und später Fernsehübertragungen 1959 zum weltweiten Ereignis entwickelt, das in diesem Jahr von über 100 Stationen ausgestrahlt wurde.

Johann Strauß in einer historischen Fotografie von Fritz Luckhardt

2025 bleibt’s nicht beim Jahreswechsel-Event: Wien feiert das ganze Jahr über die Musikerdynastie … Weiterlesen

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Museen geschlossen, Frank Goosen ausverkauft: Ärger und Freude liegen im Kulturbetrieb des Reviers nahe beieinander

Von außen sieht man ihm seine charakteristischen Tütenlampen gar nicht an: das Schauspielhaus Bochum, wo Frank Goosen sein „Silvester Spezial“ zur Aufführung brachte. (Foto: Schauspielhaus Bochum/Martin Steffen)

Frank Goosen, das ist mal klar, Frank Goosen hat uns gerettet. Das „Silvester Spezial“ des Bochumer Kabarettisten, dargebracht im Großen Haus des Bochumer Schauspiels, fügte sich exakt in die Erfordernisse des diesjährigen Besuchsbespaßungsprogramms: Beginn um 20 Uhr und um die zwei Stunden lang, so daß es bis zum Jahreswechsel dann nicht mehr weit war. Die Silvesterparty im Schauspielhaus knickten wir uns und strebten hernach den heimischen Dortmunder Fleischtöpfen zu. Guter Abend, gutes Timing, 2025 konnte kommen.

Ruhrgebietskultur

Warum erzähle ich das eigentlich? Nun, weil die Berliner Verwandtschaft in diesem Jahr bei uns zu … Weiterlesen

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Wenn der Schriftsteller vom Leben als Maler träumt – Skizzenbuch des Nobelpreisträgers Orhan Pamuk

Seit Monaten arbeitet Orhan Pamuk an einem neuen Roman, er soll „Die Nächte der Pest“ heißen, eine Parabel auf die von politischen Krisen, religiösem Fanatismus und globalen Pandemien zerrüttete Welt sein. Sie spielt zu Zeiten des Osmanischen Reiches auf „Minger“, einer fiktiven Insel im östlichen Mittelmeer. Sie erinnert den Autor an Kreta.

Um seine Fantasie anzuregen, besucht er mit seiner Lebensgefährtin Asli die von schroffen Bergen und kargen Landschaften geprägte Insel. Unterwegs von Rethymnon nach Chania, möchte er vom Bus aus Fotos machen. Doch es funktioniert nicht. „Wozu fotografieren?“, schmunzelt Asli, „Du bist doch auch Maler. Hol dein Heft raus und zeichne.“ Pamuk gefällt es, dass sein künstlerisches Talent auf die Probe gestellt wird: „Bis wir in Chania ankamen, hatte … Weiterlesen

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