Schlagwort-Archive: Lessing

[FI’LO:TAS] leidet im Bochumer Schauspielhaus

Ein Mensch hockt bewegungslos auf der Bühne, schreibt dann mit den Händen hektisch Zeichen in den Sand, verwischt sie wieder, erstarrt. Er wechselt die Position, seine Handlungen wiederholen sich. Schon diese ersten Minuten in Roger Vontobels Einpersonenstück „Filotas“ im Kleinen Haus des Bochumer Schauspiels lassen erkennen, dass dies ein Gefangener ist, gefangen von Feinden ebenso wie in zwanghaften Vorstellungswelten, deren Sinnlosigkeit er ahnt und erleidet, ohne sie jedoch überwinden zu können.

Foto: Jana Schulz als gequälte Kreatur in Roger Vontobels Lessing-Adaption "Filotas". (Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum)

Foto: Jana Schulz als gequälte Kreatur in Roger Vontobels Lessing-Adaption „Filotas“. (Foto: Diana Küster/Schauspielhaus Bochum)

Der Mensch ist die Schauspielerin Jana Schulz, das Stück die Bochumer Wieder-Inszenierung jener Arbeit, mit der der junge Schweizer Regisseur Roger Vontobel (Jahrgang 1977) im Jahr 2002, damals in Hamburg noch, unter Verwendung von … Weiterlesen

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Goethe muss natürlich unbedingt ins Sturmzentrum – Eine Traumelf deutscher Dichter und Denker aufstellen

Von Bernd Berke

Heute geht’s endlich gegen Argentinien rund. Aber gestern und vorgestern waren bei der WM erstmals spielfreie Tage. Seufz! Da wusste man ja fast schon gar nicht mehr, was man mit der leeren Zeit anfangen sollte.

Was tut man also? Sich doch mal wieder spielerisch mit Kultur und Fußball befassen. Etwa mit der reizvollen Idee, eine Traumelf mit ruhmreichen deutschen Dichtern und Denkern aufzustellen. Richtig gelesen.

Wer steht im Tor? Immanuel Kant! Der Mann hat sich in der T-Frage gegen Leibniz und Heidegger durchgesetzt. So abgeklärt wie er ist sonst keiner. Er bleibt nicht auf der Linie kleben, sondern denkt weit voraus. Und er dient der ganzen Mannschaft als Ansprechpartner in moralischen Sinnfragen.

Viel wild er wohl nicht … Weiterlesen

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Peymann-Inszenierung bei den Ruhrfestspielen: Am Ende bleibt „Nathan“ schmerzlich allein

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Wer Lessings „Nathan der Weise“ spielen lässt, darf dunkelste deutsche Vergangenheit nicht ausblenden. Ein Regisseur wie Claus Peymann weiß das natürlich.

Peymanns „Nathan“-Version gastiert jetzt bei den Ruhrfestspielen. Ihre Premiere am Berliner Ensemble hatte die Inszenierung bereits im Januar 2002, sie stand damals im Bann der Terroranschläge vom 11. September 2001.

Tatsächlich taugt das Stück (daszur Zeit der mittelalterlichen Kreuzzüge in Jerusalem spielt) auch heute noch, um fundamentalistische bzw. tolerante Haltungen dreier großer Religionen zu untersuchen: Judentum, Christentum, Islam. Man muss den Holocaust hinzudenken, wenn man sich an diesen kühn konstruierten Text wagt.

Ein Vorschein des Schreckens findet sich bei Lessing: Nathans Familie ist, bevor die Handlung einsetzt, von Christen umgebracht worden. Sein dringlicher Ruf nach … Weiterlesen

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Feilschen und flackern – Doppelpremiere in Bochum: „Minna von Barnhelm“ und „Electronic City“

Von Bernd Berke

Bochum. Doppelter Premieren-Hieb zum Saisonstart am Samstag in Bochum: Karin Beier setzte Lessings Lustspiel „Minna von Barnhelm“ in Szene. Intendant Matthias Hartmann servierte die Uraufführung von Falk Richters Globalisierungs-Stück „Electronic City“. Ein Kontrastprogramm, fürwahr.

Wollte man denn einen kleinsten gemeinsamen Nenner finden, so wär’s wohl dieser: Ökonomischer Druck lastet auf den Menschen mitsamt ihren Liebesregungen (oder dem, was davon bleibt).

Lessing zuerst: Jener Major von Tellheim, schnöde aus dem Militärdienst entlassen, daher zutiefst gekränkt und obendrein verschuldet, weist seine große Liebe Minna von Barnhelm nun von sich. Sein schroffes Ehrgefühl lässt die Verbindung nicht zu. Manche List muss Minna anwenden, um wieder anzubandeln. Geld erweist sich als treibende Kraft.

Den Touch der Kostümierung könnte man mit „mühsam … Weiterlesen

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Im Sog der Verzweiflung – „Minna von Barnhelm“ in Bochum

Von Bernd Berke

Bochum. Der Kriegsheimkehrer ist halb verkrüppelt. Ohne Geld, in Erwartung eines infamen Gerichtsverfahrens wegen angeblicher Bestechlichkeit, gibt er sich dem Sog der Verzweiflung hin. Das klingt fast wie ein bitterer Vietnam-Blues, doch es steht in Lessings „Minna von Barnhelm“. Der Mann, dessen „preußische Ehre“ beschmutzt wird, ist der entlassene Major von Tellheim.

In Urs Trollers Bochumer Inszeniemng bleibt freilich von Preußen keine Spur. Tellheim (Wolfgang Michael) ist ein Leidensmann, verhärmt, verhuscht, verwirrt, verwahrlost – ein Schatten von einem Menschen. In schäbiger Montur, das Haar strähnig, „wildgrubert“ er über die Bühne, ein Misanthrop, ein Monster des Menschenhasses; einer, der sich geradezu autistisch in sein Unglück vergräbt und sich einpanzert, der Genuß aus dem Leiden zieht. Nur manchmal blitzt, … Weiterlesen

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Der Prinz als Privatmann und ein vielbeschäftigter Kammerherr – „Emilia Galotti“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Die erste Schauspielpremiere der neuen Saison in Wuppertal, Lessings Trauerspiel „Emilia Galotti“, entfachte im Zuschauerraum beinahe mehr „Theater“ als auf der Bühne.

Einige Theaterbesucher auf den hinteren Rängen forderten vehement, die Schauspieler möchten doch lauter reden. Von den empörten Vorderreihen niedergezischelt, erhöhten die Hinterreihen die Phonstärke (Gebrüllter Dialog: „Ich will hören!“ – „Dann kauf Dir doch ’nen Fernseher!“) – immer mitten in den Vortrag der Darsteller hinein. Dabei hätte es solcher Aktivitäten gar nicht mehr bedurft, um die Schauspieler aus dem Konzept zu bringen. Wie ich finde, waren die meisten Darsteller ohnehin aus dem Konzept, und dieses Konzept ließ seinerseits zu wünschen übrig.

Die Rollen der Dienerschaft und des bezahlten Mörders Angelo. blieben in dieser Aufführung … Weiterlesen

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