John Heartfield – eine fragwürdige Umwertung zum Ästheten und „Romantiker“

Von Bernd Berke

Vor Wochenfrist eröffnete in Düsseldorf die Max Ernst-Werkschau, nun ist Bonn mit einer Retrospektive auf John Heartfield (18911968) an der Reihe. Beide Künstler entstammten demselben Jahrgang, Anlaß der Ausstellungen ist jeweils der 100. Geburtstag.

Heartfield (bürgerlich: Herzfelde) wurde besonders mit antifaschistischen Fotomontagen bekannt. Beispiel: jenes Hitler-Bild mit dem Spruch „Millionen stehen hinter mir“. Doch nicht Menschenmassen sind gemeint, sondern Millionen Reichsmark, die der „Führer“ von der Industrie bekam. So eindimensional, nur als Ausbund des Kapitalismus, kann man die Nazi-Zeit schon längst nicht mehr erklären. Doch falsch ist der Aspekt auch nicht. Zudem heiligte der Zweck plakative Mittel.

Die Bonner Ausstellung (zuvor Berlin) zielt auf eine teils fragwürdige Neubewertung des John Heartfield ab. Die 1988, also noch in der Vor-„Wende“-Zeit mit der (Ost)Berliner Akademie der Künste eingefädelte Schau soll belegen, daß Heartfield über alle politischen Bestrebungen hinaus ein Ästhet gewesen sei. Rettungsversuch für nach-sozialistische Zeiten?

Willkürlich ist die Wahl des Katalogtitelbildes: ein 1947 von Heartfield gefertigter Buchumschlag-Entwurf mit Nachthimmel, Mond und Vogelfeder – so ziemlich das einzige Bild dieser Art, das man aufbieten kann. Doch auch gewisse Katalogtexte deuten darauf hin, daß man ihn als eine Art „Romantiker“ verkaufen will. So will man denn plötzlich auch den Blick auf „malerische“ Farbtonwerte der Montagen lenken.

Doch es hilft nichts. Heartfield läßt sich nicht stiekum entpolitisieren. Auch diese Ausstellung kommt ja gar nicht ohne die ätzend-satirischen Inhalte aus – und natürlich nicht ohne den zeitlebens gläubigen Kommunisten Heartfield, der auch vor einfältiger Propaganda nicht zurückschreckte (gleichwohl aber – nach der Rückkehr aus dem Exil – in der früheren DDR zeitweilig dem Vorwurf des „kleinbürgerlichen Formalismus“‚ anheimfiel).

Nun präsentiert man zwar die Originalentwürfe der Collagen und Montagen samt schriftlicher Satz- und Schnittanweisungen des Künstlers, doch diese wirken nun gerade nicht wie hehre Ästheten-Kunst, sondern durchaus desillusionierend, werkstatthaft, auf Tageswirkung hin berechnet.

Wahr bleibt, daß Heartfield in der Wahl seiner Mittel seinerzeit zur Avantgarde zählte, auch indem er kein noch so triviales Fundstück verschmähte, wenn es denn Wirkung versprach. Wahr bleibt auch, daß er ein treffliches Bild-„Vokabular“ zur Demaskierung von Mächtigen entwickelt hat. Sobald Heartfield f ü r etwas Stellung bezog, etwa für den Sowjetkommunismus, war er auch ästhetisch deutlich schwächer.

Diskussions- und Anschauungsstoff liefert die Ausstellung mit ihren über 400 Exponaten also allemal – und auch ein paar Premieren in Gestalt vollständig rekonstruierter Ausstellungs-Situationen aus den 20er Jahren.

Rheinisches Landesmuseum, Bonn (Colmantstraße). Bis 3. November. di/do 9-17 Uhr, mi 9-20 Uhr, fr 9-16 Uhr, sa/so 10-17 Uhr. Katalog 49 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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