Baukasten des Alltags – Allan Wexler in Hagen

Von Bernd Berke

Hagen. Hier steht ein Plastikbecher, dort liegen hunderte von Zahnstochern. Und nun kommt einer auf diese Idee: Wie bastele ich aus den Hölzchen Halterungen für das unscheinbare Trinkgefäß?

Abenteuerlich komplizierte und komische Konstruktionen kommen dabei heraus, wenn sich der Amerikaner Allan Wexler der Aufgabe annimmt – bis hin zum abstrusen Türmchen, in dessen Zinnen majestätisch der Becher ruht.

Die Sache hat ihren Witz, aber beileibe nicht nur das. Wexler, ein Grenzgänger zwischen Architektur, Design und freier Kunst, macht mit seinen Phantasie-Bauten Alltagsdinge fremd und damit auf kuriose Art bewußt. Seine Hagener Ausstellung ist eine bemerkenswerte Deutschland-Premiere.

Zwar hat der Mann Architektur studiert, aber praktisch nie ein Haus entworfen, das dann auch gebaut wurde. Ein Hauptgrund, so sagt er, war die Protest-Stimmung zur Zeit des Vietnamkrieges. Ihm und seinen Freunden sei es damals eben nicht um Auf bau gegangen, sondern um neue Denk-Konzepte, mithin um „Abriß“ des Herkömmlichen.

Also nimmt er, bis heute, die Dinge lieber mit Lust auseinander. Beispielsweise eine Kaffeemaschine, die er säuberlich in alle Einzelteile zerlegt hat und in einer Art Baukasten präsentiert – mitsamt der fotografischen Anleitung, wie man den Apparat in 51 Arbeitsschritten wieder zusammenfügen kann. Seine kleinen hölzernen Modelle von Häusern oder Badezimmern wären auch in Baugröße schwerlich bewohnbar, sie gehören ins Reich der Freiheit. Da ist mal das Innere nach außen gestülpt, da wuchern winzig witzige Details, da finden sich an allen Ecken und Enden kleine Überraschungen. Das weckt Entdeckerfreude beim Betrachter, und auch der Künstler scheint seinen Spaß gehabt zu haben.

Ersparen wir uns das Schwerdenkertum über Dekonstruktion und Postmoderne – Richtungen, mit denen Wexler spielerisch umgeht – und schauen wir uns lieber noch seinen Eßtisch an. Der steht auf einer schiefen Ebene, alle Tassen und Teller würden rutschen oder umkippen, hätte nicht Wexler mit lauter untergeschobenen Keilen und mit Hilfe von Wasserwaagen das Ganze wieder notdürftig ins Lot gebracht. Welch eine brüchige, fragile „Normalität“!

Allan Wexler. Osthaus-Museum, Hagen (Hochstraße 73). 2. Okt. bis 21. Nov. Di, Mi, Fr und Sa/So 11-18, Do 11-20 Uhr. Katalog 30 DM.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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