Wie einer den anderen zur Geltung bringt: Hagen zeigt Gemeinschaftsbilder von Jiří Georg Dokoupil und Julian Schnabel

Jiří „Georg“ Dokoupil (li.) und Julian Schnabel vor einem ihrer großformatigen Gemeinschaftsbilder („untitled#14″) im Hagener Osthaus Museum. (Foto: Bernd Berke)

So verschieden sind die Menschen, auch und gerade, wenn es sich um weltbekannte Künstler handelt: Es könnte einem phasenweise fast entgehen, dass Jiří Georg Dokoupil beim Pressetermin zugegen ist, so zurückhaltend gibt sich der 1954 in der Tschechoslowakei geborene, heute in Berlin und Prag lebende Künstler und einstige Protagonist der „Jungen Wilden“ der 1980er Jahre.

Nun aber Julian Schnabel! Einem Malerfürsten gleich, entert der soeben aus New York eingeflogene US-Amerikaner (Jahrgang 1951) die Ausstellungsräume des Hagener Osthaus Museums und beginnt sogleich, das Gestühl für die Pressekonferenz eigenhändig umzustellen. Um freie Sicht auf die Kunst ist es ihm zu tun. Gleichzeitig setzt er sich selbst in Szene. Der Mann fällt unmittelbar auf. Mit seiner Präsenz füllt er jeden Raum. Ist es eine erdrückende Gegenwart? Jedenfalls nicht im produktiven Zusammenspiel mit Doukoupil, das wundersam ausbalanciert erscheint.

Auch unter dem Gesichtspunkt ihrer Verschiedenheit ist es phänomenal, was die beiden Künstler gemeinsam zuwege gebracht haben. Hagen zeigt jetzt 13 großformatige „Collaboration Paintings“, also gemeinschaftlich bewerkstelligte Gemälde, die 2015 bei einem Besuch Schnabels in Dokoupils Berliner Atelier entstanden sind. Dokoupil kann keinesfalls nur „heftig“ wie ehedem, sondern geradezu duftig und hauchzart wie in seinen Seifenblasen-Bildern, die den hier gezeigten Arbeiten zugrunde liegen und wirklich aus gefärbter Seifenlauge hervorgewachsen sind. Er hat ja auch schon mit Ruß, Muttermilch und Reifenabdrücken gearbeitet. Warum also nicht mit Seifenlauge?

Dokoupil und Schnabel 2015 bei der Arbeit in Berlin. (Foto: Deyan Manolov)

Im ständigen tätigen Dialog mit Julian Schnabel sind diese Bilder durch einen Prozess der Metamorphosen gegangen – bis die beiden Künstler unisono festgestellt haben, dass ihre Schöpfung gelungen war. Folgt man Schnabel, der aber keineswegs die Bilder deuten oder interpretieren mag, so haben sich auf den Bildern nach und nach Landschaften oder syntaktische Muster ergeben. Doch nicht um bewusste Kompositionen handelt es sich, sondern eben um das Resultat eines gemeinsamen Arbeitsprozesses, in dessen Verlauf vorwiegend Acrylfarben, Sprühdosen, Plastikfolie auf Linoleumböden (oder Leinwand) und eben Seifenlauge zum intensiven Einsatz kamen.

Gewiss: Man könnte im Nachhinein dieses oder jenes Bildelement einem der beiden Künstler zuordnen, doch darauf kommt es letztlich gar nicht an. Diese Bilder künden wahrhaftig von einem Zusammenwachsen zweier malerischer Temperamente, sie wirken allerdings auch nicht so, als stammten sie von einem einzigen Urheber. Keine falsche Harmonie. Sie enthalten noch die Spannung zweier verschiedener Arten des Zugriffs.

Doch so sehr und so entschieden Schnabel den zartsinnigen Spuren der Seifenblasen zuweilen peitschenförmig zugesetzt haben mag, so ist es doch an keiner Stelle gewaltsam, sondern emotional bewegte Reaktion aufs Vorhandene, die wiederum Dokoupil zu eigenen Interventionen veranlasst hat. Ein Geben und Nehmen. Oder wie Osthaus-Direktor Tayfun Belgin es ausdrückt: „Auf den Pinselschlag des einen folgte die Antwort des anderen, auf Linie folgte Farbe, auf geschlossene Form eine offene.“ Und so fort.

Es ist, als betonten beide Positionen einander, als brächten sie sich gegenseitig zum gesteigerten Ausdruck. Einer lässt den anderen nicht nur gelten, sondern bringt ihn erst vollends zur Geltung. Ein Fall von echter Freundschaft, von bildgewordenem Vertrauen und Vertrautsein. Überdies müssen sie beide sich und erst recht uns nichts mehr beweisen, drum waltet nicht nur Spannung, sondern schließlich auch etwas souverän Entspanntes in diesen Bildern.

Immer für einen Gag gut: Unter Schnabels Jacke verbarg sich ein Shirt mit der Aufschrift „Second Best“ (Zweitbester)… Im Hintergrund ein weiteres Gemeinschaftsbild – „untitled#10″ (Foto: Bernd Berke)

Schon um 1980 haben sie einander als Künstler wahrgenommen und zunehmend respektiert, seit über 30 Jahren kennen sie sich persönlich. All die Jahre, all die wechselnden Zeitläufte haben wohl mit hineingespielt in dieses gemeinsame Arbeiten. Und doch war es vor allem spontane Aktion. Man habe während des Malens nicht über die Existenz philosophiert, lässt Schnabel mit einem Anflug von Ironie wissen. Bloß nicht zu viel theoretischer Kram. Überhaupt habe man gar nicht so viel gesprochen. Man hat getan, was getan werden musste. Und ja, „lots of joy“ habe man dabei empfunden.

Es muss dem Museumsleiter Tayfun Belgin ein Herzensanliegen gewesen sein, just diese Bilder zeigen zu können. Schon als Student habe er Dokoupil und andere „Junge Wilde“ 1982 in der legendären Berliner „Zeitgeist“-Ausstellung bewundert. Jetzt hat eine Kooperation mit der Düsseldorfer Galerie Geuer & Geuer die von Reiner Opoku kuratierte Ausstellung ermöglicht. Die Künstlernamen schmücken Hagen ungemein.

Witzig entspannt übrigens auch der Titel des ganzen Unterfangens: „Two Czechoslovakians walk into a bar“ (Zwei Tschechoslowaken gehen in eine Bar). Schnabels Vorfahren stammten, wie Dokoupil, aus dem ostmitteleuropäischen Lande. Und auch der zweite Teil hat einen Anschein von Wahrheit. Wie sich Schnabel erinnert, wurde beim gemeinsamen Malen durchaus das eine oder andere Glas Whisky geleert. Sollte etwa dieser goldbraune Fleck auf jenem Bild…?

Jiří Georg Dokoupil und Julian Schnabel: „Two Czechoslovakians walk into a bar“. Collaboration Paintings. 27. Juni bis 15. August, Osthaus Museum, Hagen, Museumsplatz 1 (Hochstraße). Geöffnet Di-So 12-18 Uhr.

www.osthausmuseum.de

Ergänzend zu den Großformaten sind in der Unteren Galerie Grafiken von Julian Schnabel (seit den später 70er Jahren bis 2021) zu sehen.

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P. S.: Apropos Künstlerfreundschaft. Den muss ich jetzt aber noch loswerden: Der verehrte Max Goldt schrieb einst, alle Kulturwelt rede immer voller Emphase von „Künstler-Freundschaften“. Aber habe man je von einer „Elektriker-Freundschaft“ gehört?

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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