Ein Piktogramm zieht sich aus – Bilderfahnen-Serie des Briten Julian Opie in Düsseldorf

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Rechnet man nach Quadratmetern gefüllter BiIdfläche, so gibt es jetzt im obersten Geschoss des Düsseldorfer „Ständehauses“ (K 21) enorm viel zu sehen. Doch inhaltlich reduziert sich die Sache gehörig, denn es geht nur um dies: Eine Frau zieht sich aus.

Der Brite Julian Opie (Jahrgang 1958) „bespielt“ den Riesenraum unter der gläsernen Kuppel mit insgesamt 15 lang und strahlend weiß herab hängenden (Kunst)-Stoffbahnen, die wie Fahnen oder Banner wirken. Jede „Flagge“ ist rund 7 mal 2.50 Meter groß.

Doch keine staatlichen Symbole prangen darauf, sondem die scharf konturierten, anonymisierten Ganzkörper-Bildnisse einer jungen Dame, die in drei trickfilmhaften Sequenzen diverse Kleidungsstücke ablegt. Mal fällt nach und nach die Jeans-Hose, dann sinken Kleidchen und Bluse zu Boden. Es sieht hie und da recht nett aus. wenn man sich denn ‚was Schönes hinzudenkt. Doch eine Offenbarung ist es gewiss nicht.

Ohne jede persönliche Note

„Bijou gets undressed“ (Bijou entkleidet sich) heißt die ganze Serie, die den Dialog mit der umgebenden Architektur aufnehmen soll. Weitläufig ist der Weg um die beidseitig bedruckten Fahnen herum, stets ergeben sich neue Perspektiven.

Zuweilen ragt die halb entblößte Frau monumental über dem Betrachter auf, dann wieder scheint sie sich hinter dem gläsernen Aufzugsschacht verbergen zu wollen. Im Grunde aber „will“ sie gar nichts, denn es geht ihr ja jede persönliche Note ab.

„Gezeichnet“ sind die weiblichen Umrisslinien mit einem Computerprogramm. Individuelle Züge fehlen, es handelt sich um eine idealtypische Figur – wenigstens nach den (Schlankheits)-Maßstäben der gängigen Produktwerbung.

Schlicht und einfach die Sachen ablegen

Diese Piktogramm-Frau, deren Kopf als ungefüllte Kreisform halslos über den Schultern schwebt, vollführt freilich keinen lasziven Striptease. Sie legt schlicht und einfach ihre Sachen ab; ohne Pose, ganz alltäglich, offenbar gedankenlos. Standardisiert, ja geradezu steril wirken ihre Haltungen. Eros und Sexus sind fern.

Nichts für Voyeure also. Für wen aber dann? Wahrscheinlich für alle, die grübeln wollen über den Schwund der Individualität in den Stadtwelten oder über das mittlerweile ziemlich Unspektakuläre des in allen Medien beäugten nackten Leibes. Kein Mythos, keine Erregung. Nirgends.

Julian Opie: Installation „Bijou gets undressed“. Bis 25. April 2004 im „Ständehaus“ (K 21), Düsseldorf, Ständehausstraße 1. Di-Fr 10-18, Sa/So 11-18 Uhr.

 

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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