Von Bernd Berke
Köln. Man nehme gegensätzliche Begriffspaare (etwa „abstrakt“ und „gegenständlich“ „wild“ und „still“ oder „streng“ und „verspielt“), suehe in der Kunst der letzten dreißig Jahre jeweils passende Werke und hänge sie so, daß der Kontrast betont wird. AmEnde muß dann eigentlich etwas Ähnliches herauskommen wie die Mammut-Ausstellung „Bilderstreit“, die ab heute bis zum 28. Juni (Eintritt: 10 DM / Katalog 45 DM) die Rheinhallen des Kölner Messegeländes mit einem fast beispiellosen Kunst-Aufkommen füllt.
Rund 1000 Arbeiten von 127 Künstlern auf einer Fläche von 10 000 qm – so nüchtern-statistisch listet es das veranstaltende Museum Ludwig selbst auf. Der Etat betrug 3,1 Mio. Mark. Bei einer solchen Summe sind natürlich Sponsoren mit von der Partie, darunter Deutsche Bank und Lufthansa. Köln ist – nach der „Westkunst“ von 1981 mal wieder Schauplatz eines touristisch wirksamen Größtereignisses der Kunst. Die Hoteliers können die Betten schon aufschütteln.
Was früher vielleicht einmal als „Sünde“ bei der Hängung und Aufstellung gegolten haben mag – hier wird’s vielfaches Ereignis: Barnett Newmans empfindliche Farbfeldmagie wird beinahe aufgehoben durch die gleich daneben postierten Tropf-Bilder von Jackson Pollock; von Visionen eines Klassikers wie Giorgio de Chirico lenkt nachhaltig eine Skulptur von Friedrich Kiesler ab: Eric Fischls Nachklänge eines kritischen Realismus müssen auf engem Raum mit der unterkühlten Ästhetik eines neonbeschrifteten Iglus von Mario Merz konkurrieren; Georg Baselitz‘ Kopfüber-Figuren stehen im schreienden Widerpruch zu Sol LeWitts höchst unaufdringlichem „Wall Painting“. Die Kette solcher Beispiele ließe sich endlos verlängern.
„Einheit, Fragment und Widerspruch“ – wer sich solch dehnbare Kategorien zu Leitlinien einer Ausstellung erwählt, kann praktisch alles zeigen, was der Markt hergibt. Die Ausstellungs-Macher, Siegfried Gohr und Johannes Gachnang, können fraglos viele große Künstlernamen und auch zahlreiche großartige Arbeiten präsentieren. Ihre Auswahl umfaßt (von berühmten Ausnahmen wie Munch, Picasso und Picabia abgesehen) im wesentlichen Kunst seit 1960. These: Damals habe die Nachkriegszeit erst wirklich geendet und eine neue Kunstepoche begonnen, verkürzt gesagt: eben jene Ära des „Bilderstreits“, die mit ihren vielfachen Verzweigungen bis heute reicht.
Die innigste Wirkung entfalten die Exponate in den sogenannten „Räumen der Erinnerung“. Diese Bereiche sind einzelnen Künstlern wie etwa Andy Warhol oder Marcel Duchamp gewidmet. Hier herrscht denn auch die nötige Konzentration, es gibt Freiraum für die Werke.
Doch das sind nur verhältnismäßig kleine Inseln der Ruhe: Ringsherum tobt tatsächlich „Bilderstreit“, allerdings oft künstlich entfachter. Die Schau ist da unruhvoll, betriebsam, aufgeregt, ja marktschreierisch, so daß man geneigt sein könnte, manches Einzelwerk dagegen in Schutz zu nehmen.
Wer wollte ernsthaft die These der Macher bestreiten, daß es heute keine verbindliche Richtung mehr gebe in der Kunst? Doch diese Präsentation schwelgt geradezu in solcher Haltlosigkeit und Beliebigkeit. So wird der Rundgang gleichsam zum langen Irrweg durch 30 Jahre Kunst, man wird Zeuge einer babylonischen Bild-Verwirrung, in der das beste Einzelwerk nur Episode bleibt.