Bob Dylan: Gebremste Legende

Von Bernd Berke

Dortmund. Was sagt man zu einem legendären Rockstar, der seinem zahlenden Publikum weder ein „Hello“ noch ein „Goodbye“ gönnt, der ohne jede Ansage sein Programm herunterspult und geht? Soll man sagen, er sei unhöflich, schlecht gelaunt, lustlos oder besonders innig auf sich konzentriert?

All das zu sagen, fällt schwer, geht es doch um Bob Dylans Auftritt in der Dortmunder Westfalenhalle, um seinen Deutschland-Tournee-Start, sein einziges NRW-Konzert, ja letzten Endes um nicht weniger als um ein ganzes Lebensgefühl, das viele der 7000 Zuschauer in der (halb gefüllten) Halle noch einmal spüren wollten.

Angesagt war ein Spitzenereignis, ein Wiedersehensfest. Den Autokennzeichen nach zu urteilen, kamen denn auch Fans aus dem Raum zwischen Bonn und Wilhelmshaven in die Westfalenhalle. Standhafte Altfreaks ebenso wie mittlerweile zu dynamischen Führungskräften gereifte Zeitgenossen in schnieken Nobelfahrzeugen. Zwischen 15 und 50 lag, schätzungsweise, das Altersgefalle. Was wurde den Leuten geboten?

Ein Profi, der seinen Job routiniert macht, dessen volle Qualitäten aber nur an ganz wenigen Stellen aufblitzten, so daß der Beifall meist verhalten blieb. Alles ging enorm pünktlich vonstatten, also gar nicht wie bei einem Fest. Von 21.30 bis 22.30 Uhr spielte Dylan, die Zugabe dauerte bis 22.45 Uhr, dann flammte grell das „Rausschmeißer“-Licht auf. Genau nach Plan, „Mindest-Soll erfüllt“. Böswillig gesagt: Es fehlte nur noch die Stechkarte.

Dabei hatte doch Ex-„Byrds“-Sänger Roger McGuinn („Special Guest“) schon auf Nostalgie eingestimmt – mit Klassikern wie „Mr. Tambourine Man“, „Turn Turn Turn“ und „Eight Miles High“. Begleitet von „Tom Petty & The Heartbreakers“, klang das ganz wie aus den glorreichen 60er Jahren. Damit nicht genug: Petty und seine Band heiizten danach die Stimmung mit Songs wie „Reelin‘ and Rockin'“ oder „Rock’n’Roll Star“ an. Keine Filigranarbeit, die hatte auch niemand erwartet: aber .„Geradeaus-Rock“ der allerfeinsten Sorte, hochenergetisch und mitreißend.

Das Feld für Dylan war also eigentlich bestens bestellt. Doch der 46jährige Altstar klopfte, begleitet von der jetzt nur noch bescheiden „dienenden“ Petty-Band, zum Einstieg zögernd an die Himmelstür („Knocking on Heaven’s Door“), fuhr sodann gemächlich über den „Highway 6l“, näselte mit gebremster Sinnlichkeit seinen alten Hit „IWantYou“, suchte in gebeugter Haltung Schutz vor dem Sturm („Shelter from the Storm“) und brachte balladeske Lieder wie „Tangled up in Blue“oder „The Ballad of Frankie Lee and Judas Priest“ auf einheitliches Mittelmaß. Erst mit der nicht allzu stürmisch geforderten Zugabe brachte er den Stein ins Rollen („Like a Rolling Stone“).

Den Schlußpunkt setzte Dylan mit „Forever Young“ („Auf ewig jung“). Genau das ist der Punkt. So jung sehen wir ihn eben nicht mehr wieder, ja, vielleicht ist es schon seine letzte Deutschland-.Tour. Und was machen wir dann mit unseren Erinnerungen?

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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