In fünf Jahrzehnten gab er ein Rätsel nach dem anderen auf. Er selbst ist ein einziges großes Rätsel. Hunderte von durchaus talentierten Journalisten haben es immer mal wieder versucht, Autoren und Filmproduzenten haben es ebenfalls nicht vollständig durchdringen können – das Dickicht rund um eine der einflussreichsten Figuren der Popgeschichte: Bob Dylan.
Robert Zimmerman (so sein bürgerlicher Name) wird bis heute zu den großen Helden der 60er gezählt, die damals eine neue populäre Kultur, die „Gegenkultur“ begründeten. Popmusik wurde politisch, mit sozialkritischen Texten entstand der erste Soundtrack zum Zeitalter des Kalten Krieges und der aufkommenden US-Bürgerrechtsbewegung. Bob Dylan kann über so eine Einordnung nur lächeln, so wie er immer mal wieder jede Kategorisierung strikt abgelehnt hat. Er selbst sieht sich verwurzelt in den 50er Jahren, als er mit der Musik von Bing Crosby und Elvis Presley aufwuchs, ohne Scheu vor irgendwelchen Barrieren oder Klischees. Der junge Bobby lebte auf dem Land, im verträumen Minnesota. Da liefen zuhause die Radioshows mit Little Richard, Chuck Berry oder auch Buddy Holly – seine ersten Vorbilder. Er war ein Teeny wie viele andere, der auch bald in einer A-cappella-Band seine ersten kleinen Auftritte bei Familienfeiern hatte. A cappella mit dieser Stimme? Vielleicht ein erstes kleines Rätsel um seine prägnante Stimme, die immer wieder Kritiker auf den Plan rief; diese warfen ihm vor, die krächzenden, meckernden, schwer verständlichen Laute durchaus kalkuliert zu erzeugen.
Die Karriere des Bob Dylan nahm ihren Lauf, als er die Folkmusic entdeckte. Die Songs von Woody Guthrie und Pete Seeger lockten ihn in die Metropole. Genau vor 52 Jahren kam er nach New York, tauchte ein in die Straßencafés und Folk-Clubs von Greenwich Village. Seine konservativen Eltern hatten ihren ersten Widerstand aufgegeben, setzten aber ein Limit von nur einem Jahr. Sollte er in dieser Zeit keinen Erfolg haben, drohte seine Rückkehr in die „Wildnis“, wie er seine Heimat bezeichnete. Das Jahr reichte knapp – im Oktober 1961 bekam Bob Dylan seinen ersten Plattenvertrag.
Schon für sein zweites Album schrieb er mit „Blowin´ in the wind“ einen Song für die Ewigkeit. Spätestens das war der Durchbruch für einen kommenden Superstar, der sich ab jetzt immer mehr zu einem Egozentriker entwickelte. Für viele ein weiteres Rätsel, warum dieser einfache Junge vom Land sich so selbstverliebt gab und die Fachwelt immer öfter brüskierte. Man rätselte: war es Arroganz, waren es die Drogen, oder war es nur eine Masche? Auch dazu gab es nie eine eindeutige Erklärung von Bob Dylan selbst. Er schien auch keine Rücksicht auf die Erwartungshaltung seiner Fans zu nehmen. Legendär sein Auftritt 1965 auf dem Newport-Festival, als er zum ersten Mal zur Stromgitarre griff, ein Affront für alle Folk-Puristen. Buh-Rufe waren das Ergebnis, auch auf der darauffolgenden Tournee durch Großbritannien. Bob Dylan ermunterte seine Band, durch erhöhte Laustärke diese Unmutsäußerungen zu übertönen. Rätselhaft damals dieser Kampf des Künstlers mit seinem Publikum. Erst viel später erkannte man – es war die Geburtsstunde des Country-Rock.
Eines der größten Rätsel um Bob Dylan rankt sich um einen Motorradunfall im Jahr 1966. Dieser wurde zum größten Einschnitt seiner noch jungen Karriere. Was damals wirklich geschah, ist bis heute im Dunkeln. Eine lange Pause, in der er sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückzog, war die Folge. Zurück blieben Gerüchte und Spekulationen. Zwei Jahre hörte man gar nichts von ihm, insgesamt acht Jahre blieb er der Bühne fern. Als er wieder auftauchte war Bob Dylan eine anderer – ein Countrysänger, der mit „John Wesley Harding“ und „Nashville Skyline“ zwei seiner erfolgreichsten Alben ablieferte. Seine Fangemeinde wurde immer größer, aber auch immer wieder mal irritiert. Privat erfuhr man höchstens im Nachhinein von seinen diversen Ehen, seinen Krisen bis hin zu einem Alkoholproblem in späteren Jahren. Seine Hinwendung zum Christentum hingegen zelebrierte er fast ausufernd auf Platte und Bühne. Seine Rolle als „Preacherman“ war eindeutig.
In jüngster Zeit hat er mal von „Transfiguration“ (Verwandlung) gesprochen und sogar behauptet, er wäre gar nicht er selbst – und gibt uns damit ein neues Rätsel auf. Derweil läuft seit 1988 ununterbrochen seine „Never Ending Tour“ mit ca. 100 Konzerten pro Jahr. Der Mann, der wie kaum ein anderer die Musikwelt des 20. Jahrhunderts mit geprägt und verändert hat, ist seit Jahren wöchentlich auf der Bühne zu bestaunen. Mit 71 Jahren macht er immer noch „sein Ding“, eigenwillig wie eh und je, dazu hochgeachtet weltweit. Nur wer Bob Dylan wirklich ist – das wird wohl für immer ein Rätsel bleiben.
Bob Dylan on youtube
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Die vorherigen “Meilensteine”:
Peter Gabriel (1), Creedence Clearwater Revival (2), Elton John (3), The Mamas and the Papas (4), Jim Croce (5), Foreigner (6), Santana (7), Dire Straits (8), Rod Stewart (9), Pink Floyd (10), Earth, Wind & Fire (11), Joe Cocker (12), U 2 (13), Aretha Franklin (14), Rolling Stones (15), Queen (16), Diana Ross (17), Neil Diamond (18), Fleetwood Mac (19), Simon & Garfunkel (20), Bruce Springsteen (21), ABBA (22), The Kinks (23), Michael Jackson (24)
Ein Blog-Artikel kann selten den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Bob Dylan ist wohl durch viele Personen und Begegnungen geprägt worden, J. Baez war eine davon. Er selbst hat sich dazu nur rudimentär geäußert, wie zu vielen persönlichen Dingen. Es war eine verrückte Zeiit damals, J. Baez hat Bob später mal als „crazy guy“ bezeichnet. Der Bob Dylan der Folgezeit hat mit den Anfangsjahren nicht mehr viel gemein. Alles weitere kann man nur „einschätzen“….
Wäre nicht ein Hinweis auf die einflussreiche Joan Baez wichtig gewesen?
Danke auch dafür, dass du ohne die zu Tode zitierten „Forever Young“ und „The Times They Are A-Changin'“ auskommst.
Herzlichen Dank Charlotte für das Kompliment, aber auch für den „Israel-Hinweis“.
(„but I was so much older then, i’m younger than that now.“)
Danke, Herr Schürholz. Gute Zusammenfassung.
Du hast dich ähnlich gründlich mit Herrn Zimmermann in und außerhalb his own words beschäftigt wie ich Ende der 70er, als er – no kidding – mein Lebensinhalt war.
Aber wenn wir schon Ehen und andere Krisen erwähnen, würd ich vor der (vorläufig) endgültigen Christianisierung noch die jährlichen Fahrten nach Israel einfügen.
Weil sehr wichtig.