Von Bernd Berke
„Literaturpapst“ Marcel Reich-Ranicki fackelte nicht lang: Gleich zu Beginn seiner neuen TV-Kulturrunde „Das literarische Quartett“ (ZDF), verwies der Großkritiker mit sanftem Nachdruck all jene Zuschauer des zweiten Kanals, die sich nicht als Leseliebhaber bezeichnen könnten. Wie sehr man aufs Publikum pfiff, zeigte dann auch die simple Tatsache, daß Angaben zu den beredeten Büchern nicht einmal eingeblendet wurden.
Der illustre Zirkel wollte offenbar gar nichts anderes, als im Saft der eigenen Kritiker-Subjektivität kochen, zumal auch – entgegen den Ankündigungen – kein Schriftsteller als Überraschungsgast erschien: Sogar der listenreiche Hans-Magnus Enzensberger hatte es vorgezogen, sich nicht der übermächtigen „Literatur-Polizei“ zu stellen. Schließlich weiß jeder Autor, wie rüde es zuging, wenn Reich-Ranicki literarische Arbeiten beim Klagenfurter Tribunal des Ingeborg-Bachmann-Preises abkanzelte.
Oberlehrer Reich-Ranicki hatte an seine drei Kritiker-Kollegen (sogar „Spiegel“-Kulturchef Hellmuth Karasek wirkte neben ihm fast wie ein Schulbub) Hausaufgaben verteilt. Sie hatten für die Sendung bestimmte, von Reich-Ranicki ausgewählte Bücher zu lesen. Ihre zaghaften Gegenvorschläge waren, wie sich herausstellte, abgeschmettert worden. Dafür hatte Reich-Ranicki tatsächlich die Stirn, einmal mehr die (von ihm seit Jahren heftigst unterstützte) Lyrikerin Ulla Hahn in den Vordergrund zu schieben. Da begehrten Karasek und Sigrid Löffler (vom Wiener Nachrichtenmagazin „Profil“) denn doch auf.
Der vierte im Bunde, Jürgen Busche von der „Hamburger Morgenpost“, wagte es, die literarischen Niveauansprüche niedriger zu hängen und auch einen Franz-Josef Degenhardt gelten zu lassen. Da mußte Reich-Ranicki eine strenge Rüge erteilen. Motto: „Wo ist das Klassenbuch?“