In der Post gibt es jetzt Kunst statt Briefmarken – Mülheim: Erster Schritt zum neuen Museumszentrum

Von Bernd Berke

Mülheim/Ruhr. Am Portal steht noch in dicken Lettern das Wort „Post“. Also geht mancher Mülheimer nach alter Gewohnheit und in dem Glauben hinein, hier sein Päckchen aufgeben oder telefonieren zu können. Dann das Erstaunen: Hier gibt es ja Kunst statt Briefmarken!

In Mülheim soll, wie die städtische Eigenwerbung beschwingt in Aussicht stellt, nunmehr die kulturelle „Post abgehen“. Am Sonntag – Spötter reden schon vom Gründungsdatum der „Post-Moderne“ in der Ruhrstadt – wird, von 11 Uhr morgens bis tief in die Nacht, mit einem rauschenden Fest der erste Teilabschnitt der „Begegnungsstätte in der alten Post“ (über einen flotteren Namen wird nachgedacht) offiziell eingeweiht. An den früheren Postschaltern werden dann Kunstkataloge und Theaterkarten feilgeboten, und in der Halle, in der sich ehedem Pakete stapelten, hängen (erste Präsentation in der Post) rund 270 Bilder von Heinrich Zille (die WR wird auf diese Ausstellung ausführlich zurückkommen).

Schon der jetzt verfügbare Trakt des (um die Jahrhundertwende hochgezogenen) mächtig ausgreifenden Gemäuers am Viktoriaplatz sorgt für spürbare Entlastung des allzeit beengten Städtischen Museums an der Leineweberstraße. Dort kann Museumsleiterin Karin Stempel jetzt nach und nach mehr Eigenbesitz vorzeigen, beispielsweise breitere Querschnitte durch die bedeutende Expressionismus-„Sammlung Ziegler“. Die „Post“, museumstauglich umgebaut für bislang 1,4 Millionen DM, steht ab sofort für Wechselausstellungen zur Verfügung. Schwerpunkte hier: künstlerische Aussagen mit neuen Medien (Video) und Graphik.

Auch das NRW-Filmbüro, bis dato in zwei Zimmer des „Schloß Broich“ gezwängt, hat im Obergeschoß der Post einen geräumigeren Unterschlupf samt Kleinkino bekommen und muß für größere Vorhaben nicht mehr ins Kölner „Exil‘ ausweichen. Ebenfalls nicht zu verachten: Die Magnetwirkung eines privat betriebenen Bistros und eines Biergartens soll über die notorische Angst vor Museums-„Schwellen“ hinweghelfen. Auch können im Bistro, ähnlich wie im weitläufigen Foyer, Kleinkunst- und Musik-Veranstaltungen oder Diskussionen stattfinden. Überhaupt soll es in der Post nicht auf einen rein musealen Betrieb der bildenden Kunst hinauslaufen.

Und in vier bis fünf Jahren soll es noch viel besser kommen. Dann wird nämlich der Neubau der Sparkasse fertig sein, die gegenwärtig noch einen Flügel der alten Post belegt. Dann kann das Museum die mäßig geliebten Räume an der Leineweberstraße endgültig aufgeben, mit Sack und Pack in die Post umziehen und die Exponate auf 3500 Quadratmetern reiner Nutzfläche – das Dreifache des Bisherigen – ausbreiten.

Bei all dem könnten einem direkt Gedanken an Dortmund kommen, wo schon in etwa zwei Jahren das jetzige Hauptpostgebäude in unmittelbarer Nachbarschaft des Museums für Kunst und Kulturgeschichte frei wird. Auch in der Westfalenmetropole ist eine Nutzung des imposanten, unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes seit Langem im Gespräch – und noch keineswegs „vom Tisch“.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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