Prächtiges Ägyptergrab im Schatten des Kölner Doms – Neue Technik ermöglicht millimetergenaue dreidimensionale Nachbildung der historischen Stätte

Von Bernd Berke

Köln. Die schönste Grabkammer des Alten Ägypten befindet sich jetzt gleich neben dem Kölner Dom – scheinbar jedenfalls.

Neueste Technik macht’s möglich, daß nun im Römisch-Germanischen Museum der Domstadt eine millimetergenaue, dreidimensionale und zum Verwechseln ähnliche Nachbildung des Originals vom Nil aufgestellt werden konnte, in die man hineingehen kann wie in das echte „Haus der Ewigkeit“ zu Theben. Daselbst ließ sich Sen-nefer, Bürgermeister der damaligen Metropole, um 1400 v. Chr. von den besten Künstlern seiner Zeit eine rundum phantastisch ausgemalte Grabkammer errichten.

Darstellungen altägyptischer Begräbnisritule münden da schließlich in Szenen der Wiedergeburt im Jenseits, wie sie der Osiris-Mythos geprägt hat. Auch die Decke ist ganz ausgemalt, und wie! Die Künstler haben sich – wohl ganz bewußt, auf jeden Fall meisterhaft – die zahlreichen Unebenheiten des Kalksteins zunutze gemacht und Relief-Effekte erzielt. So viele Weinranken sind da zu finden, daß man das Grab auch schon scherzhaft als „Weinlaube“ bezeichnet hat.

Zwischen all dem sieht man insgesamt 16 Mal den Bürgermeister Sen-nefer (übersetzt etwa: „Guter Bruder“), den Freund des Pharaos Amenophis II. zur Hochblütezeit Ägyptens, jeweils in Zweisamkeit mit seiner Frau Merit, die ihn auf den leuchtend farbenfrohen Abbildungen jedoch eher als eine Art göttliche Gehilfin ins Jenseits geleitet. Auch die Weinreben haben hier überhöht-symbolische Bedeutung; sie beziehen sich auf Tage „göttlicher Trunkenheit“, auf glückhafte Zustände: „Ich sitze in der Halle des Vergnügens, um mir einen guten Tag zu machen,“ lautet denn auch die Übertragung einer genußfrohen, auf Sen-nefer bezogene Hieroglyphen-Inschrift der Grabkammer.

Daß man dies alles jetzt in Köln originalgetreu bewundem kann, liegt an der Erfindung eines Fotokonzerns. Knappe Erklärung: Das Grab-Original wurde millimetergenau vermessen, dann rundum im Detail fotografiert. Durch ein spezielles Lösungsmittel konnte eine hauchdünne elastische „Bild-Haut“ gewonnen und sodann auf die Nachbildüng des Original-Gesteins übertragen werden. Selbst allerkleinste Schadstellen und Unebenheiten blieben so erhalten.

Das Verfahren gewinnt zunehmend an Bedeutung. Tausende von Touristen, die die Altertums-Denkmäler besichtigen, bedeuten – schon durch bloße Körperwärme und Atemfeuchtigkeit – eine Gefahr für die Substanz der historischen Zeugnisse. So wurde z. B. die Vorzeithöhle in Lascaux (Frankreich) fürs Publikum geschlessen und durch eine ..Reproduktion“ nach dem gleichen Verfahren „ersetzt“. So dringlich es sein mag, Kulturzeugnisse auf diese Weise zu retten, so betrüblich ist die Aussicht auf eine künftige Welt voller Duplikate und Simulationen, denen – wenn nicht mehr – so zumindest der Geist des Ursprungsorts abgeht.

Die Ausstellung, die auch einen Bogen zu Ägypten-Fotos aus der Mitte des 19. Jahrhunderts schlägt, dauert bis zum 12. Oktober und ist täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr (mittwochs/donnerstags bis 20 Uhr) geöffnet.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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