Katze im Sack und ein früher Weihnachtsbaum – Lerne staunen mit der Stadtteilzeitung!

Warum lässt man im Lokalteil oft erst so spät „die Katze aus dem Sack“? Die Auflösung gibt’s erst im Text… (Symbolbild: Bernd Berke)

Schon öfter habe ich mich über die Dortmunder Stadtteilzeitung geärgert, die von den Ruhrnachrichten erstellt wird und – oh, wunderbare Pressevielfalt in einer Stadt mit rund 600.000 Einwohnern – auch in der WAZ-Lokalausgabe und in der seit fast neun Jahren redaktionslosen Phantomzeitung „Westfälische Rundschau“ erscheint.

Gewiss: Gelegentlich gibt’s auch mal interessante Artikel. Gar oft aber finden sich z. B. Senioren, die auf einen mehr oder weniger geringfügigen Missstand deuten (buchstäblich: Auf den Fotos zeigen sie gern demonstrativ drauf, etwa auf Schlaglöcher), welcher dann länglichst bekakelt wird. Überhaupt ist die Qualität der Fotos oft erbärmlich. Man merkt, dass vielfach Amateure am Werk sind. Die Zeilen- und Bildhonorare für freie Mitarbeit sind ja auch dementsprechend geringfügig.

Textlich hat sich, seit die Parole „online first“ gilt, quer durch den Lokalteil die früher verpönte Unart breitgemacht, mit entscheidenden Infos 1.) nicht in die Überschrift zu gehen, sondern dort noch alles offenzuhalten und 2.) selbige Infos auch im Fließtext erst weit hinten zu bringen, am liebsten ungefähr im vorletzten Absatz. Dass man derart hinter dem Berg hält, erklärt sich daraus, dass das geneigte Publikum mit der wortgleichen Online-Version möglichst lange bei der Stange bleiben soll. Also lässt man die redensartliche Katze erst ganz spät aus dem Sack. Das kostet auf Dauer richtig Lese- und Lebenszeit.

Baum schon geschmückt? Wow! Das ist der Aufmacher…

Ein anderweitiger Tiefpunkt ist mit der heutigen Ausgabe erreicht. Wenn jemand mal ganz groß in der hiesigen Stadtteil-Ausgabe rauskommen will, muss er/sie lediglich bereits den Weihnachtsbaum aufgestellt und geschmückt haben. Ja, das reicht offenbar schon. Dann kommt sogar der Redaktionsleiter höchstselbst und widmet dem ungeheuren Umstand zwei Drittel der Seite, garniert mit nicht weniger als drei Fotos. Die Frau, die da alle Einzelheiten zu ihrem Weihnachtsbaum ausbreiten darf, sagt auch noch, dass frühzeitiger Baumschmuck eh ein Trend zu sein scheine. Ganz normal also. Egal. Die Sache wird trotzdem riesig aufgemacht, fünfspaltig, nahezu blatthoch! Gegen Schluss kommt auch noch die (im Lokalen häufiger übliche) Werbung geschlichen. Ja, die Tannenbaum-Frau betreibe bei Instagram auch noch eine Ernährungsseite. Wie überaus schade, dass man in der Print-Ausgabe nicht direkt darauf verlinken kann…

Diese ganz gewöhnliche Petitesse soll das Wichtigste im gesamten Dortmunder Nordosten gewesen sein? Is‘ eh wurscht, wenn es am Ort keine nennenswerte Medienkonkurrenz mehr gibt. Wie geht nochmal das Emoticon für bitteres Auflachen?

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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